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scheinen. An unsere alten Renner, Freidank, Waldis, Reineke u. a., deren Sprache leider veraltet ist, nicht zu gedenken, schlugen Opitz, Logau, Hadedorn, Haller, Gellert, Utz, Leßing, Gleim, Cronegk und andre noch lebende Dichter, die ich nicht zu nennen brauche, dieselbe philosophisch-moralische Bahn ein, so daß wir gewiß an schöngesagten Lehren keinen Mangel haben; um so mehr aber fehlet es uns vielleicht daran, daß die Gesinnungen und Sprüche dieser Dichter auch in die Erziehung und Denkart, wenigstens in das Gedächtniß und den Umgang der Nation, wie bei andern Völkern die Sprache ihrer Dichter übergegangen wären: denn ohne allen Zweifel kennen Engländer und Franzosen ihre vorgenannten Schriftsteller zehnfach besser, als wir die unsern kennen, lesen, anführen und gebrauchen. Ueber die Ursachen davon ließe sich ein langes Kapitel schreiben; besser wäre es, wenn man sie wegräumen könnte. Dem moralischen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_163.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)