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von Lebensregeln, daß man in mancher Rücksicht fast aufs ganze Leben nichts mehr bedürfte. Auch zur Umbildung eines andern Theils der Nation, der in Vorurtheilen seines Standes, mithin oft in schlechten Grundsätzen und Lebensregeln erzogen, nach solchen am schädlichsten handelt, sehe ich, wenn dessen Umbildung möglich ist, kein andres Mittel als dieses: „man kehre die seinigen gegen ihn selbst, oder bringe ihm beßere Führer seiner Gedanken bei, als die sind, nach denen er sonst handelt.“

Niemand, der auf sich selbst aufmerksam gewesen, auch der gebildetste Mann, wird an der Wirksamkeit dieser Busenfreunde seiner Denkart zweifeln; vielmehr gehet die ganze Bildung, die Menschen sich selbst oder einander gewähren können, dahin, solchen innern Rathgebern Sprache, Gehör, Kraft und Nachdruck, vor allen aber jene untrügliche Wahrheit zu verschaffen, ohne welche sie schädliche Rathgeber werden. Welcher moralische Mensch hat nicht bei sich bemerkt, daß bei mancher Krise seiner Gedanken ihm ein entschiedener

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_156.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)