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von Verständigen anerkannt, deren Summe nachher als ein Resultat des Verstandes der Nation, als ein Schatz ihrer Sprache geschätzt ward; ihre Sprüche blieben.

Und warum hätten sie nicht also geschätzt werden sollen? Besitzt unser Verstand eine edlere Gabe, als diese Formenschöpfung? Ist es nicht ein Trug, wenn wir glauben, daß in einer Erfahrung jener allgemeine Satz, diese sittliche oder politische Lehre schon liege? Sie liegen darinn, aber nur nach der Materie; der Form muß ihnen der menschliche Geist erst geben; da man dann eben so sicher sagen kann, daß der menschliche Geist sie in die Begebenheit hinein- als daß er sie herausdenke. Wie selten sind nun, (nochmals gesagt,) diese eigenthümlichen, ursprünglichen Denker unter den Menschen! Man folgt so gern andrer Rath, sieht, auch wenn man mit eignen Augen zu sehen glaubt, so oft mit fremden Augen, und geht im Gängelwagen der Sprache. Für Viele ist es also das Höchste, anzuwenden, was sie gelernt haben; und das höchste Verdienst

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_128.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)