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und jede andre Wohlanständigkeit, Sittlichkeit, Gründlichkeit, Schönheit, immer so sorgfältig unterscheiden, und was in der Theologie vorkommt, was sie auch nur von fern angeht, immer nur Zunftmäßig cum beneficio Feminae et Cleri, durch uns und von uns und nach uns wollen beurtheilen lassen? Wir sind Theologen, aber nicht für uns allein; wir lehren, untersuchen, predigen, retten, vertheidigen eine Religion, aber auch für andre Stände. Wollen wir unserm Meister nachfolgen, so lasset uns die neun und neunzig theologische Streit-Böcke in der Wüste lassen und nach dem Einen verlohrnen Schaaf von Layen gehen, das gegen Puncte unsrer Religion Zweifel hat, und sich, wenn wirs nicht thun, an unsrer Gemächlichkeit, Ruhe und Steifigkeit, wie billig und recht ist, ärgert. Ist die Bibel allein für Theologen und ihre Zweifel geschrieben? Soll das Evangelium nicht aller Kreatur gepredigt werden, auch dem Fragmentisten aus der Bibliothek zu Wolfenbüttel, wenn er allenfalls noch irgendwo unter

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_415.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)