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glaubt, und der an sie glaubt, seyn muß. Darf unter allen Wahrheiten und Geschichten nun diese Wahrheit, diese Geschichte allein nicht untersucht, nicht gegen jeden Zweifel und Zweifler untersucht werden, so ist das Leßings Schuld nicht; aber zu unsern Zeiten wird kein Theolog und kein Religios seyn, der so etwas zu behaupten wage. Giebt man aber diesen einzigen Satz zu: „Wahrheit müsse und könne untersucht werden: Wahrheit gewinne jedesmal bey jeder neuen, freyen und ernsten Prüfung, eben in dem Maas und Verhältniß, als sie für uns erkennbare, folglich auch nur in solchem Maas für uns zu befolgende Wahrheit ist“ gibt man diesen Satz zu, den die Geschichte aller Zeiten, aller Religionen und Völker, insonderheit die Geschichte und Wahrheit der Christlichen Religion überall, wo sie bezweifelt und angefochten ist, unwidersprechlich beweiset: so hat Leßing gewonnen; so müssen wir, statt von krummen, hämischen, bösen Absichten zu reden, ihm danken, daß er uns eine neue Gelegenheit zu Untersuchung

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_409.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)