Seite:De Zerstreute Blätter II (Herder) 366.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

da man alles mit Engeln erfüllte, war er ein Engel mit dem feurigen Schwert, der gesandt war, die Seele des Menschen zu fodern. „Wenn die Zeit des Menschen herbeikommt, sagt die Tradition dieses Volks, daß seine Seele von ihm scheide, tritt der Engel des Todes vor ihn mit seinem brennenden Schwert. Ganz Flamme, ganz Auge stehet er da und blickt ihn an: seinem Blick kann der Sterbende nicht entfliehen; er sieht die Wände seines Hauses brennen, windet sich und in seinen Mund trieft vom flammenden Schwert ein Tropfen Galle, der schnell seinen Leib durchdringt mit dem bittern Geschmack des Todes. Die Seele des Guten (fährt die Tradition fort,) geht aus dem Körper, wie man den Faden aus der Milch zieht; die Seele des Bösen, wie man Dornen aus der Wolle reißet. Auch wenn im Grabe, (erzählt sie weiter) der Todes-Engel mit seiner Kette, die Feuer und Eis ist, den Leichnam berührt: so fallen die Gebeine des Mildthätigen sanft auseinander: täglich wir seine Asche erquickt vom

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_366.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)