Seite:De Zerstreute Blätter II (Herder) 326.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fünfter Brief.


So ruhig es seyn mag, im Grabe zu schlummern und von keinem Leide der Erde mehr zu wissen: so bleibt dies doch immer ein trauriger Trost und man sähe sich in kurzer Zeit an den beiden Schildhaltern der Ruhe satt und müde. Sollten die Alten also nicht darauf gekommen seyn, den Begrif des Todes weiter zu führen und aus ihrer Philosophie und Tradition auch der Kunst süßere Tröstungen anzubilden? Kein Zweifel; da auch hierüber ohne alle mystische Deutungen so viele Grabmähler Zeugniß geben.

Zuerst war es angenommene Sache der ältesten Tradition, daß nur der Körper verwese, der Athem, die Seele aber ins Reich der Schatten gehe und daselbst als Schatte, als das Idol und simulacrum eines Menschen fortlebe. Die Sprache schuf hier bald durch eine paßende Zweideutigkeit für die Kunst ein Bild, das schöne Bild eines Schmetterlinges mit der Bedeutung der Seele. Auf wie vielen Denkmahlen ist

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_326.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)