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Todes. Entweder drückt dieser das harte nothwendige Schicksal zu sterben aus und da sagten die Griechen Schicksal (μοιρα). Oder es sollen die nähern, oft gewaltsamen und allzeit bittern Veranlassungen des Todes angezeigt werden und da sagten sie κηρ, κηρες. Ich will sie die Todesboten, die ereilenden tödtlichen Verhängnisse nennen, ob ihr Name gleich oft bis zum Begrif des Schicksals der Sterblichkeit selbst gemildert wurde. Oder der Tod kann den Abschied bedeuten, von dem was uns im Leben lieb war, das Entweichen in eine andre Welt, in eine dunkle, uns unbekannte Gegend; da war es ihnen also der Raub des Orkus, der Hingang zum Reich des Unsichtbaren und was sie weiter für Bilder hatten. Endlich kann Tod den Zustand des Todten, die Ruhe des entseelten Leichnams anzeigen; und da, nur da war er des Schlafes Bruder. Ich hoffe, es wird Ihnen nicht unangenehm seyn, wenn ich diese Vorstellungsarten durchgehe und bemerke, wiefern die Kunst an ihnen Theil genommen habe.

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_295.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)