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Offenbar m. Fr. sind auch die beiden Genien, von denen wir reden, von dieser, ich möchte sagen, ätherischen Art und wir wollen uns hüten, daß wir ihnen keine vestere Gestalt geben, als sie ihrem Ursprunge und ihrer Natur nach haben mögen. Allen Völkern fiel die Aehnlichkeit zwischen einem Todten und Schlafenden ins Gesicht; allen Völkern war es daher auch ein süßer Gedanke, den Zustand des Todten als einen Schlaf zu betrachten. Träume brachten den Menschen wahrscheinlich zuerst darauf, daß er eine Seele habe, die auch ohne Körper wirke: denn wachend fühlte der sinnliche Mensch sich nur als Ein lebendiges Ganze und dachte an metaphysische Abtrennungen des sichtbaren und unsichtbaren Theils schwerlich. Träume waren es, die auf so wunderbar-lebhafte Art Erinnerungen aus der Vorzeit mit Blicken in die dunkle Zukunft paaren, die das Entfernte dem Menschen nahe brachten und auch die abgeschiedenen Geliebten aus ihrem Schattenreich in seine Gesellschaft zurückführten. So erscheint dem schlafenden

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_290.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)