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den Halbgöttern und den Personen der historischen Fabel; nicht völlig aber also mit den allegorischen Wesen, den Geschöpfen der Einbildungskraft der Dichter und Künstler. Beide, der Künstler und Dichter haben mit diesen viel mehr Freiheit, sie stellen und zu verwandeln, nachdem es die Handlung des Gedichts oder der Ort und Zweck des Kunstwerks fodert. Was z. B. haben Dichter und Künstler aus Amor und dem ganzen Heer seiner Brüder gemacht! in welche Gestalten und Spiele dieselben gesetzt! welche Genealogieen von ihnen gedichtet! Unglücklich aber wäre der mythologische und Kunst-Erklärer, wenn er dies alles für bestimmte historische Wahrheit nehmen, und jeden dieser Wiedersprüche vereinigen müßte! Aus Uebersprüngen dieser Art, aus dieser παραβασει εις αλλο γενος ist das ungeheure Gewirr von vereinigenden Hypothesen und Deutungen entstanden, das unsre Mythologieen und Ikonologieen beschweret. Man haftete eine Dogmatische Gewißheit an Geschöpfe, die solche nicht halten und haben wollten.

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_289.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)