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selbst zerbricht, das Beschneiden seiner Fittige und andre Symbole beweisen. Auch kann die mythologische Meinung, daß Götter und Genien sich vom Leichnam eines Todten entfernen, kein Gesetz der bildenden Kunst werden, weil sonst gar keine Götter und Genien auf Grabmählern vorgestellt werden könnten, die sich doch in ziemlicher Anzahl vorgestellt finden.

Vielmehr folgt aus allen diesen Inductionen eine sowohl für die mythologische als Kunst-Deutung wichtige Lehre; nämlich: mythologische Götter und allegorische Wesen, dergleichen diese Genien sind, nicht völlig für Eins zu nehmen: denn sie sind, wenn ich so sagen darf, der Art ihrer Bestandheit nach verschieden. Die mythologischen Gottheiten sind vestbestimmte, gegebne Personen; in Zuständen und Handlungen können sie mit ihren Attributen Abänderung leiden, ihr Wesen aber bleibt. Jupiter ist Jupiter; er möge der freundliche oder zornige heissen: Venus ist Venus, sie möge in einer Gestalt erscheinen, in der sie wolle. Ein Gleiches ists mit

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_288.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)