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des todten Orestes spottet, an wen konnte sich seine liebende, traurende Schwester wenden, als an die Göttin, der jeder freche Stolz gegen Lebendige und Todte gräuelt: b)[1]

„Hör’ o Nemesis, höre den Jüngstverstorbenen!“ und da die ausschweifende Mutter darauf zu fangen wagt:

„Sie hörte, wen sie sollt’ und entschied gerecht:“ so bleibt Elektra bei ihrem Sinne: „Schmähe nur: denn du bist glücklich.“ Auf gleiche Weise warnen Herodot c)[2] und nach ihm Philosophen und Dichter den Glücklichen für Uebermuth, indem sie ihn dabei an die Nemesis oder an den Neid des Schicksals erinnern. Dergleichen Empfindungen lagen und liegen im Herzen aller Menschen; bei den Griechen gingen sie aus der Sprache in die personificirende Dichtkunst, aus dieser in die bilderschaffende Kunst über, die



  1. b)Ηλεκτ. ν. 793.
  2. c) Wesseling. ad. Herodot. p. 216. 59. Svidas in voce Nemisis etc.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)