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meistens auch die siebende zur Classe zusammengesetzter Epigramme fügen, weil jenes einfach fortgeht, diese sich durch das Zwiefache, das in ihnen anschaubar gemacht wird, mehr oder minder entfalten und sondern. Durch alle Classen und Gattungen aber wird der Eine Hauptbegrif merkbar, daß das Epigramm ein gegenwärtiges Object zu einem einzelnen festbestimmten Punct der Lehre oder der Empfindung poetisch darstelle oder wende und deute, mithin ist der Name Sinngedicht zumal für die schönsten Gattungen sehr glücklich. Dem gegenwärtigen Object wird gleichsam Sinn gegeben, Sinn angedichtet und dieser in der kürzesten, angenehmsten, lebendigsten Sprache uns zum Sinne gemacht d. i. in unsre Seele geschrieben. Die gewöhnlichen Regeln des Epigramms lassen sich aus dieser Erklärung nicht nur finden; sondern sie nehmen auch aus ihr Grund und Ursache her.

Man pflegt z. B. vom Epigramm Kürze, Anmuth, und Scharfsinn brevitatem, venustalem,

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_145.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)