Seite:De Zerstreute Blätter II (Herder) 136.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wird die Wendung des Sinngedichts, von der wir reden, weit fortgeführt: so entsteht die Art Epigramme daraus, die man die Täuschenden nennen könnte. Sie sind um so angenehmer, je ungesuchter die Täuschung war, je schöner die letzte Zeile, vielleicht nur das letzte Wort uns entzaubert. Hier z. B. scheint Venus zu baden und es ist Rhodoklea: a)[1] hier steht ein zweiter Paris vor drei Göttinen, um die Schönste derselben zu krönen und er krönt sie alle drei: b)[2] dort fliegt Amor einer Sterblichen in den Schoos und glaubt, sie sei seine Mutter u. f. Dergleichen Spiele, die auch von den Neuern mit vieler Anmuth nachgeahmt sind, waren bei den Griechen zu Hause und ihre Mythologie bot ihnen darinn den schönsten Vorrath verhüllender oder verwandelnder Zierrathen dar. Im Spott und im Ernst, beim Lobe und Tadel, überhaupt bei jeder unerwarteten Lehre und Bemerkung


  1. a) Zerstr. Bl. Th. 1. S. 64
  2. b) Th 1. S. 46.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_136.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)