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Der wahre Affect ist allemal stumm; er verschmäht die Worte, weil er fühlt, daß diese doch alle unter der Fülle seiner Empfindung bleiben und spricht lieber durch Sachen und Thaten. Es thut uns daher wehe, wenn in manchen Sinngedichten einiger Neuern gerade die Gegenstände, die nur vorgezeigt werden dürften, damit sie durch eine ihnen einwohnende Erhabenheit und Würde rühren, mit Worten gleichsam erniedrigt und vernichtiget werden; denn der Eindruck, den sie durch sich selbst machen könnten, gehet damit halb oder ganz verlohren. Man lese z. B. in unserm Wernike, den ich übrigens wegen seines Scharfsinns und poetischen Fleißes sehr hochschätze, den größten Theil seiner Ueberschriften über Gegenstände der alten Geschichte; wer irgend in Grichen und Römern selbst diese erhabenen Bilder kennen gelernt und bewundert hat, wird er die gezwungene Art, mit der sie hier aufgeführt werden, lieben? Welche undeutliche Exposition! welche überladne Anwendung! Der edle Römer kriecht unter einer

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)