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doch besser, zufrieden zu sein mit wenigem, als Gold und Güter haben und ein kaltes Herz.





Es mochten schon etwa fünf Tage vergangen sein, während Felix, der Jäger und der Student noch immer unter den Räubern gefangen saßen. Sie wurden zwar von dem Hauptmann und seinen Untergebenen gut behandelt, aber dennoch sehnten sie sich nach Befreiung; denn je mehr die Zeit fortrückte, desto höher stieg auch ihre Angst vor Entdeckung. Am Abend des fünften Tages erklärte der Jäger seinen Leidensgenossen, daß er entschlossen sei, in dieser Nacht loszubrechen, und wenn es ihn auch das Leben kosten sollte. Er munterte seine Gefährten zum gleichen Entschluß auf und zeigte ihnen, wie sie ihre Flucht ins Werk setzen könnten. „Den, der uns zunächst steht, nehme ich auf mich; es ist Notwehr, und Not kennt kein Gebot, er muß sterben.“

„Sterben?“ rief Felix entsetzt; „Ihr wollt ihn totschlagen?“

„Das bin ich fest entschlossen, wenn es darauf ankommt, zwei Menschenleben zu retten. Wisset, daß ich die Räuber mit besorglicher Miene habe flüstern hören, im Wald werde nach ihnen gestreift, und die alten Weiber verrieten in ihrem Zorn die böse Absicht der Bande, sie schimpften auf uns und gaben zu verstehen, wenn die Räuber angegriffen würden, so müssen sie ohne Gnade sterben.“

„Gott im Himmel!“ schrie der Jüngling entsetzt und verbarg sein Gesicht in die Hände.

„Noch haben sie uns das Messer nicht an die Kehle gesetzt“, fuhr der Jäger fort; „drum laßt uns ihnen zuvorkommen. Wenn es dunkel ist, schleiche ich auf die nächste Wache zu; sie wird anrufen; ich werde ihm zuflüstern, die Gräfin sei plötzlich sehr krank geworden, und indem er sich umsieht, stoße ich ihn nieder. Dann hole ich Euch ab, junger Mann, und der zweite kann uns ebensowenig entgehen; und beim dritten haben wir zu zwei leichtes Spiel.“

Der Jäger sah bei diesen Worten so schrecklich aus, daß Felix sich vor ihm fürchtete. Er wollte ihn bereden, von diesem blutigen Gedanken abzustehen, als die Türe der Hütte leise aufging und schnell eine Gestalt hereinschlüpfte. Es war der Hauptmann. Behutsam schloß er wieder zu und winkte den beiden Gefangenen, sich ruhig zu verhalten. Er setzte sich neben Felix [261] nieder und sprach: „Frau Gräfin, Ihr seid in einer schlimmen Lage. Euer Herr Gemahl hat nicht Wort gehalten, er hat nicht nur das Lösegeld nicht geschickt, sondern er hat auch die Regierungen umher aufgeboten; bewaffnete Mannschaft streift von allen Seiten durch den Wald, um mich und meine Leute aufzuheben. Ich habe Eurem Gemahl gedroht, Euch zu töten, wenn er Miene macht, uns anzugreifen; doch es muß ihm entweder an Eurem Leben wenig liegen, oder er traut unsern Schwüren nicht. Euer Leben ist in unserer Hand, ist nach unsern Gesetzen verwirkt. Was wollet Ihr dagegen einwenden?“

Bestürzt sahen die Gefangenen vor sich nieder, sie wußten nicht zu antworten; denn Felix erkannte wohl, daß ihn das Geständnis über seine Verkleidung nur noch mehr in Gefahr setzen könnte.

„Es ist mir unmöglich“, fuhr der Hauptmann fort, „eine Dame, die meine vollkommene Achtung hat, also in Gefahr zu setzen. Darum will ich Euch einen Vorschlag zur Rettung machen, es ist der einzige Ausweg, der Euch übrigbleibt: Ich will mit Euch entfliehen.

Erstaunt, überrascht blickten ihn beide an; er aber sprach weiter: „Die Mehrzahl meiner Gesellen ist entschlossen, sich nach Italien zu ziehen und unter einer weitverbreiteten Bande Dienste zu nehmen. Mir für meinen Teil behagt es nicht, unter einem andern zu dienen, und darum werde ich keine gemeinschaftliche Sache mit ihnen machen. Wenn Ihr mir nun Euer Wort geben wolltet, Frau Gräfin, für mich gutzusprechen, Eure mächtigen Verbindungen zu meinem Schutze anzuwenden, so kann ich Euch noch frei machen, ehe es zu spät ist.“

Felix schwieg verlegen; sein redliches Herz sträubte sich, den Mann, der ihm das Leben retten wollte, geflissentlich einer Gefahr auszusetzen, vor welcher er ihn nachher nicht schützen könnte. Als er noch immer schwieg, fuhr der Hauptmann fort: „Man sucht gegenwärtig überall Soldaten; ich will mit dem geringsten Dienst zufrieden sein. Ich weiß, daß Ihr viel vermöget; aber ich will ja nichts weiter als Euer Versprechen, etwas für mich in dieser Sache zu tun.“

„Nun denn“, antwortete Felix mit niedergeschlagenen Augen, „ich verspreche Euch, was ich tun kann, was in meinen Kräften

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig., Wien, 1891–1909, Seite 260–261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_4_131.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)