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beteiligt; ich kenne den unglücklichen Geschmack meines Sohnes und weiß, wie wenig er auf alte Bilder hält; wollen Sie ihm nicht ein jüngeres dafür geben? Thierberg, vor diesem Bilde, das nun auch für Sie von Bedeutung ist, wiederhole ich meine Werbung: Ihre Anna um diesen Napoleon.“

Der alte Herr war betreten, er warf verlegene Blicke auf die Umstehenden, endlich haftete sein Auge auf Davids Gemälde. „Du hast viel verschuldet“, sprach er, „Europas alte Ordnung hast du umgeworfen, und nun, nach deinem Tode willst du dich in meine Haushaltung mischen?“

„Herr Baron!“ sagte der alte Hans mit gerührter Stimme, „nehmen Sie es einem alten Diener nicht ungnädig auf, aber wissen Sie noch, was Sie zu dem braven Kapitän sagten, und was Sie mir oft erzählt haben? ‚Monsieur‘, haben Sie gesagt, ‚wenn Sie einst durch Schwaben kommen und in unsere Gegend, so vergessen Sie nicht, auf Thierberg einzusprechen, daß Sie mich nicht zu Ihrem ewigen Schulder machen.‘“

Herr von Thierberg aber strich sich nachdenklich mit der Hand über die Stirne, warf noch einen zögernden Blick auf das Bild und führte dann Anna zu Robert Willi. „Nimm sie hin!“ sagte er fest und ernst. „Ich habe es nicht thun wollen, aber vielleicht war es gut, daß dies alles so kommen mußte; nimm sie hin!“

Mit großer Rührung umarmte der General den alten Mann, und indem Robert überrascht und selig seine Braut, wir wissen nicht, ob zum erstenmal, an seine Lippen drückte, schüttelte der Gast aus der Mark, um nicht ganz teilnahmlos zu erscheinen, dem alten Diener herzlich die Hand. Albert hat nachher erzählt, daß er in jenem feierlichen Augenblick, trotz seines inneren Widerstrebens, gut Napoleonisch gesinnt gewesen sei und zum erstenmal in seinem Leben jene Macht und Überlegenheit gefühlt und anerkannt habe, die jener große Geist auf die Gemüter zu über pflegte.

Er erzählte auch, daß der alte Thierberg jenen sonderbaren Tausch niemals bereut habe; er fand in seinem Schwiegersohne Eigenschaften, die er ihm nie zugetraut hatte, und als er ihn bei der Verwaltung der Güter seines Vaters mit Rat und That unterstützte, [549] lebte er im Glücke seiner Kinder die Tage seiner eigenen Jugend wieder.

Von der Hochzeit des jungen Paares sprach der Gast aus der Mark nicht gerne, man sah ihm an, daß er lieber selbst mit der liebenswürdigen Anna vor den Altar getreten wäre. Einen Zug aber aus diesem glänzenden Tag pflegte er bei Wiederholung dieser Geschichte nie zu vergessen, vielleicht nur, um jene schwärmerischen Anhänger Napoleons und seinen neubekehrten Oheim ins Komische zu ziehen. Der alte Gardist des Generals, erzählte er, habe alle Domestiken und einige junge Burschen zum Vivatschreien abgerichtet und die schöne Braut mit ins Geheimnis gezogen; er habe seine Leute unter die Thüren des großen Saales im Schlosse Thierberg gestellt, und als nun mancher Toast ausgebracht war, sei auch Anna mit dem Kelchglas aufgestanden und habe mit ihrer süßen Stimme „dem Bild des Kaisers“ die Ehre eines Toasts gegeben. Da wurde der Jubel rauschend, die Gäste stießen an, Hans und der Gardist schwangen zum Zeichen ihre Mützen, und wohl aus fünfzig Kehlen schallte ein jauchzendes „Vive l’Empereur!“



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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 548–549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_277.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)