Seite:De Wilhelm Hauff Bd 3 276.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

das Muster eines braven Mannes, eines gebildeten und klugen Soldaten.“

„Nun, so bitte ich Sie“, fuhr der General mit inniger Rührung fort, indem auch ihm eine Thräne im Auge schwamm, „ich bitte Sie im Namen dieses Mannes, den ich auch kannte, Sie mögen ihm vergeben, wenn er nachher anders handelte, als Sie damals dachten!“

„Wie? Sie haben ihn gekannt?“ rief der Alte dringend, indem er die Hand des Generals faßte. „Wer war er, wie heißt er, lebt er noch?“

„Er ist tot – seinen Namen kannte die Welt – dieser Mann hier ist –“

„Nun?“ drängte der Alte den General, dem die Stimme zu brechen schien. – „Wer? Doch nicht –“

„Dieser Mann“, rief der General mit einem feurigen Blick auf das Gemälde, „dieser Mann war – Napoleon Buonaparte, der Kaiser der Franzosen.“

Der Alte setzte seine Mütze auf; er drückte die Augen zu, und in seinem Gesichte kämpfte Unmut mit Rührung. Doch als er nach einer Weile das Bild wieder ansah, schien er es nicht über sich zu vermögen, dem stolzen Reiter gram zu werden. „Du also?“ sprach er zu ihm, „du warst dieser – kühne Mann? Das war also deine Meinung? Du hast mir mein Kleid, meinen Hut und meine Börse zurückgegeben, um mir nachher mein Alles zu rauben?“

„Vater“, sagte Anna schmeichelnd, „wie glücklich waren Sie aber dennoch! Der este Mann des Jahrhunderts hat so traulich zu Ihnen gesprochen.“

„Ja, das haben wir“, erwiderte der Alte lächelnd und nicht ohne Stolz. „Recht freundlich haben wir uns unterhalten, ich und er, und er schien Gefallen an mir zu finden. Ich habe nicht gehört, daß der erste Konsul sich je gegen einen so offen ausgesprochen hätte wie damals gegen mich; ‚Frankreich wird nicht mehr lange ohne König sein‘, waren seine eigenen Worte; du hast es erfüllt, kleiner Schelm! – Ha! und gerade so sah er aus, so warf er noch einmal den stolzen Kopf herüber, als er sein Roß den Berg hinantrieb [547] und die Feldmusik des Regimentes herüberklang, General Willi – es war doch ein großer Geist!“

„Gewiß!“ sagte der General freudig gerührt, indem er dem Alten die Hand drückte. „Aber wie kam nur dies Bild hieher zu Ihnen, Anna?“

„Darf ich es verschweigen, Robert?“ antwortete sie. „Nein, er hat es ja doch schon gesehen. Ihr Sohn wollte Sie an Ihrem Geburtstag damit überraschen, und ich erlaubte, daß das Bild einstweilen hier aufgestellt würde.“

Der alte Thierberg hatte aufmerksam zugehört; er schien überrascht und ging auf den jungen Willi zu, dem er seine Hand bot. „Junger Mann“, sagte er, „ich habe Ihnen vorhin bitter Unrecht gethan, ich sehe jetzt, daß Sie ein schönerer Zweck auf dieses Zimmer führte, als ich anfangs dachte; werden Sie mir meine übereilten Worte, meine Hitze vergeben?“

Robert errötete. „Gewiß, Herr von Thierberg“, antwortete er, „und wenn Sie noch zehnmal heftiger gewesen wären, so konnten Sie mich zwar kränken, aber niemals beleidigen; es ist hier nichts zu vergeben.“

„Wirklich?“ erwiderte der alte Herr sehr freundlich. „Und wenn ich fragen darf – wo haben Sie das Bild gekauft? Könnte man nicht sich auch ein Exemplar verschaffen? Ich möchte doch den grand capitaine, meinen Kapitän, in meinem Zimmer haben.“

„Wie ich meinen Vater kenne“, sagte der junge Mann, „so wird er dieses Bild vielleicht noch lieber in Ihrem Hause als in dem seinigen sehen. Ich bitte, erlauben Sie, daß ich es dort aufhänge.“

„Sie machen mir ein großes Geschenk, lieber Robert“, sagte Thierberg. „Wohin ist es mit unsern Gesinnungen gekommen? Ich glauben, wir denken im Grunde gleich über diesen Buonaparte, und doch sind Sie es, der mir ihn anbietet, und mir macht es Freude, ihn anzunehmen. Ich habe wenige Bilder, aber einige alte, gute; suchen Sie sich etwas aus, nehmen Sie dafür aus meinem Schloß, was Sie wollen.“

„Halt!“ rief der General, „bei diesem Handel bin ich auch

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 546–547. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_276.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)