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der Balkon, schlank und zierlich, machten einen sonderbaren Kontrast mit den dunkeln, schweren Mauern des Thierbergs zu seiner Rechten, und wie diese Burg auf der Nordseite des Gebirges auf einem steilen Waldberg hing, so ruhte jenes schöne Lustschloß auf der Südseite gegenüber an einem sanften Rebhügel, dessen reinlich und nett angelegten Geländer und Spaliere sich bis an den Fluß herabzogen. Albert war in diesen reizenden Anblick versunken und dachte nach über diesen Gegensatz, welchen die beiden Schlösser, wie Bilder der alten und neuen Zeit, hervorbrachten, als feste Männertritte hinter ihm durch das Gebüsch rauschten und ihn aus seinen Betrachtungen weckten. Er wandte sich um und war vielleicht nicht weniger erstaunt als der Mann, der jetzt durch die letzten Büsche brach und vor ihm stand. – Es war sein Gefährte vom Eilwagen. Er hatte eine Jagdtasche übergeworfen, trug eine Büchse unter dem Arm, und zwei große Windhunde stürzten hinter ihm aus dem Gebüsch.

„Wie! ist es möglich!“ rief der Jäger und blieb verwunderungsvoll stehen; „ich hätte mir noch eher einfallen lassen, hier auf einen Adler denn auf Sie zu stoßen!“

„Sie sehen, ich benütze Ihren Rat“, erwiderte der junge Mann, „ich durchspüre jeden Winkel Ihres Landes nach schönen Aussichten –“

„Aber wie kommen Sie hieher?“ fuhr jener fort, indem er ihn aufmerksamer betrachtete, „und Sie sind auch nicht auf der Reise, wie ich sehe. Haben Sie sich in der Nähe eingemietet?“

Albert deutete lächelnd auf die alte Burg hinüber. „Dort –– und gestehen Sie“, sagte er, „ich hätte keinen schöneren Punkt wählen können.“

„In Thierberg?“ rief der Jäger mit steigendem Erstaunen, indem er auf einen Augenblick leicht errötete; „wie ist es möglich, in Thierberg? Oder sind vielleicht gar Thierbergs die Verwandten, die –“

„Die ich in der Stadt besuchen wollte und hier auf ihrem Landsitz traf. Ich segne übrigens diesen Geschmack meines Oheims“, setzte Albert mit einer Verbeugung hinzu, „da er mich aufs neue in die Nähe meines angenehmen Reisegesellschafters führte.“

[491] „So wären Sie vielleicht ein Rantow aus Preußen?“ fragte der Jäger aufs neue.

„Allerdings“, antwortete der Gefragte, „aber wie folgern Sie dies? Sind sie vielleicht mit meinem Oheim bekannt?“

„Ich besuche ihn zuweilen“, sagte jener mit einem langen Seitenblick auf das alte Schloß; „ich bin gerne dort; doch beinahe hätte ich das Glück gehabt, Ihre Bekanntschaft noch früher zu machen; ich reiste vor einem Jahr in Ihre Heimat, und auf den Fall, daß mich meine Straße über Fehrbellin geführt hätte, war ich mit einem Brief an Ihre Eltern versehen, mit einem Brief von Ihrem Oheim selbst. – Aber habe ich zu viel gesagt, wenn ich von den Reizen unseres Neckarthales sprach? Finden Sie nicht alles hier vereinigt, was man immer für das Auge wünschen kann?“

„Ich dachte schon vorhin darüber nach“, versetzte Rantow; „wie verschieden ist der Charakter dieser beiden Berge zur Seite des Thales! Hier dieser dunkle Wald mit Schluchten und Felsenrissen, durch welche sich Bäche herabgießen, die alte Burg, halb Ruine, auf diese jäh abbrechende Wand hinausgerückt. Jenseits die sanften, wellenförmigen Rebhügel mit bläulichroter Erde und dem sanften Grün des Weins. Und diese Kontraste durch das lieblichste Thal, durch den Fluß vereinigt, der bald hierhin, bald dorthin zu den Bergen sich wendet! Wahrhaftig, es müßte nichts Angenehmeres sein, als auf einer dieser grünen Halbinseln ein einsames Idyllenleben zu führen!“

„Ja“, entgegnete der Jäger lächelnd, „wenn der Fluß nicht in jedem Frühjahre austräte und Damon[1], die Hütte und – seine Daphne[1] zu entführen drohte! Aber, waren Sie schon unten im Thal?“

„Noch nicht, und wenn etwa Ihr Weg hinabführt, werde ich Sie gerne begleiten.“

Der Jäger lockte seine Hunde und schlug dann einen Seitenpfad ein, der in die Tiefe führte. Rantow, der hinter ihm ging,


  1. a b Beide Namen sind wohl, ohne besondere Beziehung, der Idyllen- und Schäferdichtung des 18. Jahrhunderts entnommen.
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 490–491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_248.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)