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Pferd des Kapitäns blieb mit einem Fuß in den straff aufgerichteten Strängen hängen.

Lanbek sprang ab, um dem Freund zu helfen, der Kutscher lief bedauernd herzu, und eben war der Fuß des unbezahlten Rosses frei, als man einige Reiter in aller Eile von der Stadt herbeijagen hörte. Der erste mochte einen Vorsprung von fünfhundert Schritten, aber kein gutes Pferd haben, denn der Kapitän unterschied deutlich, daß es kurzen Paradegalopp ging; die Tritte der nachfolgenden Pferde schlugen zwar minder kräftig auf, waren aber flüchtiger. „Platz – allons! – Platz!“ rief der erste Reiter; aber in demselben Augenblick hörten auch die beiden jungen Männer eine bekannte Stimme, die mit dem wildesten Ausdruck rief: „Halt, Jude! oder ich schieß’ dich mitten durch den Leib.“

Unter dem Volke in Württemberg hört man zuweilen noch einen Reim, der diesen merkwürdigen Moment bezeichnet; er heißt:

„Da sprach der Herr von Röder:
Halt, oder stirb entweder!“

Und der alte Obrist war es auch, der in diesem Augenblick, seinen Begleitern weit voran, eine Pistole in der Hand, aufsprengte, den ersten Reiter wütend am Arm packte und schrie: „Wo hinaus, Jude? Warum so schnell zu Roß, als ich dir nachrief zu warten?“

„Mäßigt Euch, Herr Obrist“, erwiderte der Erste mit stolzem Ton, in welchem aber doch einige Angst durchzitterte; „ich gehe nach Stuttgart, der Frau Herzogin Durchlaucht zu sagen, was in diesem Augenblick für Maßregeln –“

„Das ist auch mein Weg, Herr!“ erwiderte der Obrist mit furchtbarer Stimme; „und keinen Augenblick geht Ihr von meiner Seite, sonst werde ich mit meiner Pistole Beschlag auf Euch legen. Platz da, wer steht hier im Weg?“

„Der Kapitän von Reelzingen von der ersten Kompanie und der Expeditionsrat Lanbek.“

„Guten Abend, meine Herrn!“ fuhr Röder fort. „Habt Ihr geladene Pistolen, Kapitän?“

„Ja, mein Herr Obrist“, war die Antwort des Soldaten, indem er sie aus den Halftern losmachte.

[445] „Ich kommandiere Euch, in welchem Auftrag Ihr jetzt auch sein möget, auf der linken Seite des Herrn Ministers Süß zu reiten. Bei Eurem Dienst und Eurer Ehre als Edelmann, sobald er Miene macht, zu entfliehen, jagt ihm eine Kugel nach. Die Verantwortung nehme ich auf mich.“

„Herr Expeditionsrat“, rief Süß, „ich nehme Euch zum Zeugen, daß mir hier schändliche Gewalt geschieht. Obrist Röder, ich warne Sie noch einmal; dieser Auftritt soll gerochen werden!“

„Aber Herr von Röder“, flüsterte Gustav; „ums Himmelswillen, übereilen Sie nichts, bedenken Sie, was daraus entstehen kann. Bedenken Sie“, setzte er lauter hinzu, „den furchtbaren Zorn des Herzogs.“

„Der Herzog ist tot“, sagte Röder laut genug, daß es alle hören konnten.

„Karl Alexander tot?“ rief der Kapitän, auf den alle Begebenheiten dieser Nacht mit einemmal in schrecklichen Erinnerungen hereinstürzten.

„Hat man sichere Nachricht? Gott! welch ein Fall!“ sagte Gustav besorgt. „War er in Kehl?“

„Er ist in Ludwigsburg vor einer Viertelstunde schnell und plötzlich gestorben. Drum ist es unsre Pflicht, diesen Herrn da, der sich mit der Regierung sehr stark beschäftigte, schnell an das verwaiste Staatsruder zu bringen.“

„Wie, in Ludwigsburg sagt Ihr“, rief Lanbek, „und schnell gestorben? O, ewige Vorsicht!“

„In diesem Ludwigsburg hier“, sagte Röder wehmütig, „und im Bette am Schlag gestorben. Friede mit seiner Asche! Er war ein tapferer Herr. Aber jetzt weiter, ihr Freunde, daß die Nachricht nicht vor uns nach Stuttgart kömmt!“

„Meine Herrn“, rief Süß mit einer Stimme, die Zorn und Angst beinahe erstickte, „noch bin ich Minister und erinnere Sie an das Edikt des Herzogs, das mich von aller Verantwortung freispricht; ich sage Ihnen, es kann Ihnen allen schlimm gehen, wenn Sie sich mit Herrn von Röder verbinden. Im Namen des Herzogs und seines Erben befehle ich Ihnen, von mir abzulassen.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 444–445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_225.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)