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Expeditionsrat; Sie unterhalten sich hier im Dunkeln mit dero Braut? Es ist ein kühler Abend; warum spazieren Sie nicht lieber herauf ins warme Zimmer? Sie wissen ja, daß mein Haus Ihnen jederzeit offen steht.“

„Mit wem sprichst du hier, Gustav?“ sagte der alte Lanbek, der beinahe in demselben Augenblick herantrat; „deine Schwestern behaupten, du unterhaltest dich hier unten mit einem Frauenzimmer.“

„Es ist der Minister“, antwortete Gustav beinahe atemlos.

„Gehorsamer Diener“, sprach der Alte trocken; „ich habe zwar nicht das Vergnügen, Ew. Exzellenz zu sehen in dieser Dunkelheit, aber ich nehme Gelegenheit, meinen gehorsamsten Dank von wegen der Erhebung meines Sohnes abzustatten; bin auch sehr scharmiert, daß Sie so treue Nachbarschaft mit meinem Gustav halten.“

„Man irrt sich“, erwiderte Süß, heiser lachend, „wenn man glaubt, ich bemühe mich, mit dem Herrn Sohn im Dunkeln über den Zaun herüber zu parlieren, ich kam nur, um meine Schwester abzuholen, weil es etwas kühles Wetter ist und die Nachtluft ihr schaden könnte.“

„Mit Ihrer Schwester?“ sagte der Alte streng; „Bursche, wie soll ich das verstehen, sprich!“

„Echauffieren sich doch der Herr Landschaftskonsulent nicht so sehr!“ erwiderte der Jude; „Jugend hat nicht Tugend, und er macht ja nur meiner Lea in allen Ehren die Kour.“

„Schandbube!“ rief der alte Mann, indem er seine Hand um den Arm seines Sohnes schlang und ihn hinwegzog, „geh’ auf dein Zimmer; ich will ein Wort mit dir sprechen; und Sie, Jungfer Süßin, daß Sie sich nimmer einfallen läßt, mit dem Sohn eines ehrlichen Christen, mit meinem Sohn, ein Wort zu sprechen, und wäre Ihr Bruder König von Jerusalem, es würde meinem Hause dennoch keine Ehre sein.“ Mit schwankenden, unsichern Schritten führte er seinen Sohn hinweg. Lea weinte laut, aber der Minister lachte höhnisch. „Parole d’honneur!“ rief er, „das war eine schöne Szene; vergessen Sie übrigens nicht, Herr [427] Expeditionsrat, daß Sie nur noch vierzehn Tage Frist zu Ihrer Werbung haben; bis dahin und von dort an werde ich mein Wort halten.“


10.

Die an Furcht grenzende Achtung des jungen Lanbek hieß ihn geduldig und ohne Murren dem Vater folgen, und langjährige Erfahrungen über den Charakter des Alten verboten ihm in diesem Augenblick, wo der Schein so auffallend gegen ihn war, sich zu entschuldigen. Der Landschaftskonsulent warf sich in seinem Zimmer in einen Armsessel und verhüllte sein Gesicht. Besorgt und ängstlich stand Gustav neben ihm und wagte nicht zu reden, aber die beiden schönen Schwestern des jungen Mannes flogen herbei, als sie die Schwäche des Vaters sahen, fragten zärtlich, was ihm fehle, suchten seine Hände vom Gesicht herabzuziehen und benetzten sie mit ihren Thränen. – „Das ist der Bube“, rief er nach einiger Zeit, indem sein Zorn über seine körperliche Schwäche siegte; „der ist es, der das Haus eures Vaters, unsern alten guten Namen, euch, ihr unschuldigen Kinder, mit Elend, Schmach und Schande bedeckt; der Judas, der Vatermörder – denn heute hat er den Nagel in meinen Sarg geschlagen.“

„Vater! um Gotteswillen! Gustav!“ riefen die Mädchen bebend, indem sie ihren bleichen Bruder scheu anblickten und sich an den alten Lanbek schmiegten.

„Ich weiß“, sagte der unglückliche junge Mann, „ich weiß, daß der Schein gegen mich –“

„Willst du schweigen!“ fuhr der Konsulent mit glühenden Augen und einer drohenden Gebärde auf. „Schein? Meinst du, du könnest meine alten Augen auch wieder blenden wie damals nach dem Karneval? Nicht wahr, es wäre weit bequemer, wenn sich diese beiden Augen schon ganz geschlossen, wenn sie den alten Lanbek so tief verscharrt hätten, daß keine Kunde von der Schande seines Namens mehr zu ihm dringt. Aber verrechnet hast du dich, Elender! Enterben will ich dich; hier stehen meine lieben Kinder, du aber sollst ausgestoßen sein, meines ehrlichen Namens beraubt, verflucht –“

„Vater!“ riefen seine drei Kinder mit einer Stimme, die

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 426–427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_216.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)