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Tag an unserer Grenze seien. Auch an einige Reichsstände in Oberschwaben hat er ähnliche Schreiben erlassen.“

„Und im Namen des Herzogs?“ fragte der junge Mann.

„Nein, sie lassen ihn nur so durchblicken. Aber eine andere Lockspeise haben sie dem Bischof hingeworfen; man sagt nicht umsonst, daß unser alter Reformator Brenz[1] seit einigen Nächten aus seinem Grab aufstehe und die Kanzel besteige – katholisch wollen sie uns machen. Du staunst? Du willst nicht glauben? Auch ich glaube, daß sie es nicht aus Religiösität thun wollen, sondern entweder soll es den Bischof und die Oberschwaben enger für die Sache verbinden, oder sie meinen dem Herzog gefällig zu sein, wenn sie in vierundzwanzig Stunden den Glauben reformieren, wie sie das alte Recht reformieren wollen.“

„Es kann, es darf nicht sein!“ rief der junge Mann; „die Grundpfeiler unseres Glückes und unserer Zufriedenheit mit einem Schlag umstürzen? Es ist nicht möglich, der Herzog kann es nicht dulden.“

„Er weiß und denkt nicht, daß sie dies alles vorhaben“, sagte der Obrist; „sein Ruhm ist ihm zu teuer, als daß er ihn auf diese Weise beflecken möchte; aber wenn es geschehen ist, ohne daß die Schuld auf ihn fällt, dann, fürchte ich, wird er das Alte nicht wiederherstellen. Zu welchem Zweck, glaubt Ihr denn, habe der Jude dem Herzog das Edikt von gestern abgeschwatzt, worin er für Vergangenheit und Zukunft von aller Verantwortlichkeit freigesprochen wird? Das soll ihn schützen in dem kaum denkbaren Fall, wenn der Herzog über die treuen und ergebenen Herren Räte erbost würde, die ihm die unumschränkte Macht zu Füßen legen und in der Stiftskirche einen Krummstab aufpflanzen.“

„Und gegen diese wollt ihr kämpfen?“ fragte Gustav besorgt und zweifelhaft.

„Kämpfen oder zusammen untergehen“, sprach der Alte. „Wer mit uns verbunden ist, mußt du jetzt nicht wissen, es genügt dir zu erfahren, daß es die Trefflichsten des Adels und die Wackersten [421] der Bürger sind. Wir wollten den Kaiser um Schutz anflehen, aber die Umstände sind ungünstig, die Zeit ist zu kurz, um durch alle Umwege zu ihm zu gelangen, und überdies hat der Herzog einen gewaltigen Stein im Brett seit den letzten Kriegen; man würde uns abweisen. Uns bleibt nichts übrig als –“

„Wir müssen“, rief der Obrist mutig und entschlossen, „das Prävenire müssen wir spielen; St. Joseph, den 19. März haben sie sich zum Ziel gesteckt; aber einige Tage zuvor müssen wir die Feinde des Landes gefangen nehmen, die treuen Truppen nach Stuttgart ziehen, das Landvolk zu unserer Hülfe aufrufen und, wenn es gelungen ist, dem Herzog von neuem huldigen und ihm zeigen, an welchem furchtbaren Abgrund er und wir gestanden. Und dann – er ist ein tapferer Soldat und ein Mann von Ehre, dann wird er erröten vor der Schande, zu welcher ihn jene Elenden verführen wollten.“

„Aber der Herzog“, fragte der junge Mann, „wo soll er sein und bleiben, während ihr diese furchtbare Gegenmine auffliegen lasset?“

„Das ist es ja gerade, was uns zur Eile zwingt“, erwiderte der Obrist; „sie haben ihn überredet, im nächsten Monate die Festungen Kehl und Philippsburg zu bereisen, und hinter seinem Rücken wollen sie reformieren. Den 11. will er abreisen; schon sind die Adjutanten ernannt, die ihn begleiten sollen, und, wenn ich es sagen darf, mit solchem Gepränge, und so viel und laut wird von dieser Reise gesprochen, daß ich fürchte, die ganze Fahrt ist nur Maske, und der Herzog wird nicht über die Grenze gehen.“

„Du kennst jetzt unsere Plane“, sprach der alte Herr zu seinem Sohn. „Sei klug und vorsichtig. Ein Wort zu viel kann alles verraten. Darum, wie es unter uns gebräuchlich ist, lege deine Hand in die deines Vaters und dieses tapfern Mannes und schwöre uns, zu schweigen.“

„Ich schwöre“, sagte Lanbek mit fester Stimme, aber bleich und mit starrem Auge, und sein Vater und der Obrist zogen ihn an ihre Brust und begrüßten ihn als einen der Ihrigen.


  1. Joh. Brenz (1499–1570), Propst in Stuttgart, trat 1534 in Württemberg als protestantischer Reformator auf und hatte bald das ganze Land durch seine Predigten für die neue Lehre gewonnen.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 420–421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_213.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)