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Ihnen, glaube ich Gründe verlangen zu können, warum ich es nicht thun soll?“

„Gott weiß, er hat recht!“ rief Röder, indem er den jungen Mann nachdenkend betrachtete; „ich weiß auch nicht, Alter, warum Ihr ihm nicht längst den Schlüssel gegeben habt. Wenn Ihr ihm übrigens die Augen nicht öffnen wollt, so will ich ihm diesen Dienst thun, weil ich weiß, wie drückend es ist, ein wichtiges Geheimnis halb zu erraten und halb zu ahnen.“

„Es sei“, sagte der Vater, „setzet Euch wieder. Wenn ich dich, mein Sohn, bis jetzt nicht mit Dingen dieser Art vertraut gemacht habe, so geschah es nur aus Furcht, für einen allzu stolzen Vater zu gelten, denn wir hatten uns das Wort gegeben, nur erprobten und ausgezeichneten Männern uns anzuvertrauen. Ich darf dir nicht erst sagen, was in drei Jahren, seit Alexander regiert, aus Württemberg geworden ist. Man soll von einem Lanbek nicht sagen können, daß er gegen seinen Herrn gemurrt hätte; er ist ein tapferer Mann und nach Prinz Eugenius vielleicht der erste Feldherr seiner Zeit, aber das Feldregiment taugt wohl im Lager und vor dem Feind, nicht so in der Kanzlei. Er sieht die Regierung des Ländchens, wie er sagt, etwas zu heldenmäßig an, das heißt, er sieht darüber hinweg und läßt andere dafür sorgen.“

„Dieses Ländchen!“ rief der Obrist bitter, „dieses schöne Württemberg! Es heißt wohl ein alter Spruch, daß, wenn man auch sich alle Mühe gebe, dieses Land doch nicht könne zu Grunde gerichtet werden; aber nous verrons! Wenn es so fortgeht, wenn man es durch den Verkauf der Ämter, durch Verhöhnung der Bessern, durch Erhebung der niederträchtigsten Bursche geflissentlich verderbt, wenn man seine Kräfte bis aufs Mark aussaugt –“

„Kurz, mein Freund“, fuhr der Alte fort, „es kann nicht so fortgehen. Nach und nach kann es nicht besser werden, denn schon jetzt sitzen bei uns in der Landschaft fünf Schurken, die nicht einmal der Gottseibeiuns für sich repräsentieren ließe, alle Ämter sind verkauft oder für Süßsche Kreaturen käuflich; also kann es nur schlechter werden. Aber es sind zwei Partien, die da sagen: [419] ‚Es muß anders werden.‘ Die eine Partie ist Süß, der schnöde Jude, der General Römchingen[1], der feinste von diesen Burschen, Hallwachs[1], dein neuer Kollege, Metz[1] und noch einige von der Landschaft. Wir wissen, was sie wollen, und es ist nichts Geringeres, als die Stände und den Landtag völlig aufzuheben.“

„Und, Gott sei geklagt“, sagte Herr von Röder, „den Herzog haben sie von seiner edelmütigen Seite gepackt, er ist alles zufrieden. Das Land sei aufgebracht über die Stände, sagen sie ihm, man murre über die Landschaft, und nun hat er sich entschlossen, das Institut wie ein Korps Invaliden aufzulösen, dem Lande die jährlichen Kosten der Stände edelmütig zu schenken und allein zu regieren.“

„Wie? Verstehe ich recht?“ rief der junge Lanbek, „also unser letzter Schutz gegen den übeln Willen oder gegen die unrichtige Ansicht eines Herrn will man uns rauben? Auf die Verfassung ist es abgesehen? Doch das ist nicht möglich, Alexander hat sie ja beschworen, und mit welchen Mitteln will er dies wagen? Meinen Sie wirklich, Herr Obrist, der württembergische Soldat werde seine eigenen Rechte unterdrücken?“

„Hier sind die Hunde“, erwiderte der Obrist, indem er auf den Brief zeigte, „die man bei diesem Treibjagen hetzen will.“

„Nur ruhig“, sprach der Landschaftskonsulent, „höre mich ganz. Der Herzog ist aufs abscheulichste getäuscht; er glaubt fest, daß es ihm nur ein Wort koste, so werden die Stände nicht mehr sein, und alle Herzen werden ihm zufliegen. So haben es der Jude und Römchingen ihm vorgeschwatzt; aber sie kennen uns besser und wissen, daß Gewalt zu einem solchen Schritt gehört. Hier ist ein Brief an den Erzbischof von Würzburg, den der General Römchingen geschrieben: man wolle zum Besten des Landes einige Änderungen vornehmen, man könne sich aber auf die Truppen im Lande nicht verlassen, daher solle der Bischof bewirken, daß die Truppen des fränkischen Kreises an einem bestimmten


  1. a b c Der General von Remchingen, der Expeditionsrat und Waisenhauspfleger Hallwachs sowie der Regierungsrat Metz waren gefügige Genossen des Juden und wurden später gleich diesem auf den Asperg gebracht.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 418–419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_212.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)