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und ihm Gelegenheit gab, auch seine Züge zu mustern und hin und wieder etwas zu finden, das ihn an die schöne Lea erinnerte. Der Minister setzte sich endlich in den Armstuhl, den die Offiziere der Garnison zur Bequemlichkeit dieses Zimmers gestiftet hatten, und winkte dem Sarazenen herablassend, sich auf einer Bank, die unfern stand, niederzulassen.

„Junger Mann“, sprach er, „wenn Euch Eure eigene Ruhe und Wohlfahrt lieb ist, so antwortet mir auf das, was ich Euch fragen werde, offen und ehrlich; denn Ihr könnet leichthin denken, daß es mir nicht schwer werden kann, Euch jeder Lüge, die Ihr waget, zu überweisen.“

„Ich bin herzoglich württembergischer Aktuar“, erwiderte der junge Mann, „und der Eid, den ich als Christ und Bürger –“

„Laissez cela“, fiel ihm der Jude ins Wort, „Ihr wäret nicht der erste, der seinen Eid gebrochen. Wer waren gestern, frag’ ich, die beiden Masken, die sich an meinem Tisch zur Belustigung des Publikums unterhielten? Ihr wißt es, Ihr standet zunächst bei mir.“

„Das ist mir nicht bekannt, Ew. Exzellenz“, sagte Gustav mit fester Stimme.

„Nicht bekannt?“ rief der Minister. „Bedenket wohl, was Ihr gesagt, ich stehe hier als Euer Richter; habt Ihr keinen an der Stimme gekannt?“

„Keinen.“

„Keinen?“ fuhr jener heftiger fort. „Und Euren Vater solltet Ihr nicht an der Stimme kennen?“

„Meinen Vater!“ rief der junge Mann erblassend; doch besonnen setzte er nach einer Weile hinzu: „Ihr irrt Euch, Herr Finanzdirektor, oder vielmehr Ihr seid schlecht berichtet; mein Vater ist ein ruhiger, gesetzter Mann, und sein Charakter, sein Amt, seine Jahre verbieten ihm, das Publikum auf einem Maskenball zu amüsieren.“

„Sie sollten es ihm verbieten“, erwiderte jener mit blitzenden Augen, „und ich werde Mittel finden, es ihm zu verbieten. Ich weiß recht wohl, daß ich diesen Herren von der Landschaft ein Dorn im Auge bin, und zwar aus dem einzigen Grund, weil [405] die Herren nicht rechnen können; verständen sie das Einmaleins so gut wie ich, sie würden sehen, was dem Lande frommt. Noch ist aber nicht aller Tage Abend, und ich will diesen Rebellen zeigen, wer sie sind und wer ich bin!“

„Herr Finanzdirektor!“ rief der junge Mann mit der Röte des Unmutes auf den Wangen.

„Herr Aktuarius?“ erwiderte Süß mit spöttischem Lächeln.

„Mein Vater ist ein Ehrenmann“, fuhr Gustav fort, ohne sich von der stolzen Miene des Gewaltigen einschüchtern zu lassen; „Sie sprechen von Rebellen? Wie können Sie sagen, daß mein Vater dem Herzog nicht immer treu gedient hat? Wie können Sie wagen, ihn einen Rebellen zu schimpfen?“

„Wagen?“ lachte Süß. „Hier ist von keiner Wagnis die Rede, Herr Aktuarius, aber Rebell ist jeder, der nur dem Land und nicht dem Herzog dient; er ist des Herzogs Diener, aber er dient ihm schlecht; doch das soll nicht lange mehr so bleiben. Das mögt Ihr übrigens dem Herrn Landschaftskonsulenten, Eurem Vater, sagen, daß ich recht wohl weiß, was die beiden Masken wollten, und daß sie es mit dem dritten abgekartet hatten; ich konnte ihn gestern nacht so gut wie Euch verhaften lassen, und wenn ich es nicht that, so verdankt er diese Schonung nur Euch.“

„Mir?“ antwortete der junge Mann staunend. „Mir? Und ist dies etwa auch Schonung, daß ich, ohne ein Verbrechen begangen zu haben, diese Nacht in diesem Zimmer zubringen durfte?“

„Nein!“ fuhr jener gütig lächelnd fort. „Dies war nur zur Abkühlung auf Euer Rendezvous veranstaltet.“ Er weidete sich einige Augenblicke an der Verlegenheit des Jünglings und fuhr dann fort: „Das gute Kind, wie hat sie mich gefleht und auf den Knieen gebeten, Euch zu retten! Sie glaubte nicht anders, als Ihr seiet wegen irgend eines Kapitalverbrechens gefangen. Wie? Und habt Ihr mir gar nichts zu sagen, Herr Lanbek?“

„Ihr kanntet mich nicht“, erwiderte Gustav, „und es ist mir nun wohl begreiflich, warum Ihr so hart mit mir verfuhret; aber Leas Charakter hätte Euch wohl dafür bürgen können, daß nichts Strafbares in diesem Verhältnis liege.“

„Wirklich? Mort de ma vie!“ rief der Minister; „nichts

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 404–405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_205.png&oldid=- (Version vom 30.1.2023)