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„Du bist ein kapitaler Kerl!“ rief Süß, ganz ruhig weiter spielend.

Als der Bauer zu einer neuen Rede ansetzen wollte, zog eine neue Gestalt die Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein Mann, dessen Kostüm beinahe ebenso war wie des Bauers, nur hatte er einen langen, spitzen Bart am Kinn und trug einen Tressenrock. Der Bauer sah ihn eine Zeitlang verwundert an, schüttelte ihm dann die Hand und rief: „Ei Hans! Wo kommst du her, und so schmuck und stattlich! Gar nicht mehr wie unsereiner!“

„Das macht“, erwiderte Hans, indem er aus einer silbernen Dose schnupfte, „ich bin bei einem fürnehmen Herrn in Dienst getreten.“

„Wer ist denn dein Herr?“ fragte der Bauer.

„Ein Schinder, aber ein fürnehmer. Meinst du, er schindet gemeines Vieh, Pferde, Hunde und dergleichen? Nein, ein Leuteschinder ist er, und noch überdies ein Kartenfabrikant.“

„Ein Kartenfabrikant?“ rief der Bauer.

„Jawohl, denn alle Karten im Lande muß man von ihm kaufen, er stempelt sie; er ist aber auch ein Gerber.“

„Wie das?“

„Nun, alle Gerber im Lande müssen die Häute gegerbt von ihm kaufen; er ist aber auch ein Prägestock.“

„Wie! Ein Prägestock?“

„Ja, er macht alles Geld, was im Lande ist.“

„Das ist erlogen“, sagte der Bauer, „du willst sagen, er macht alles zu Geld, was im Land ist; aber darum ist er noch kein Prägestock. Es gibt nur einen Prägestock in Württemberg, der dem Land seinen Namenszug aufgedrückt hat.“

Die Menge hatte bisher nur ihren Beifall gemurmelt, aber bei der letzten Anspielung auf die Münze brach sie in lautes Gelächter aus; die Stirne des Gewaltigen verfinsterte sich etwas, aber noch immer spielte er ruhig weiter.

„Aber warum hast du dir den Bart so spitzig wachsen lassen?“ fragte der Bauer weiter. „Das sieht ja ganz jüdisch aus.“

„Es ist halt so Mode“, erwiderte Hans, „seit die Juden Meister im Lande sind; bald will ich vollends ganz jüdisch werden.“

[391] Als Hans diese letzten Worte sprach, rief eine vernehmliche Stimme aus dem dicksten Haufen: „Warte noch ein paar Wochen, Hans, dann kannst du gut katholisch werden!“

Wem je der schreckliche Anblick wurde, wie in einer volkreichen Straße, durch Unvorsichtigkeit oder Bedacht entzündet, eine Tonne Pulvers aufspringt, dem bot sich kaum eine so seltsame Szene dar als die, welche diese wenigen geheimnisvollen Worte hervorbrachten. Der Minister, bleich wie eine Leiche, springt vom Sessel auf, er wirft die Karten mit wütendem Blick auf den Tisch: „Wer sagt dies? Greift ihn im Namen des Herzogs!“ ruft er und stürzt, wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, auf die Menge; seine Genossen, nicht weniger bestürzt, aber besonnener, ergreifen seinen Arm und ziehen ihn zurück, suchen ihn zu beschwichtigen – sein dunkles Auge will sich durch die Menge bohren, um den Gegenstand seiner Wut zu fassen, die Masken murmeln unwillig und drängen sich; doch als der gefürchtete Mann seine Hand nach dem Bauer ausstreckt und ruft: „So sollst du mir für ihn haften“, da ist er plötzlich von einer drohenden Menge umringt; „Maskenfreiheit, Jude!“ hört man in dumpfen, gefährlichen Tönen, der Bauer und sein Geselle sind in einem Augenblicke von ihm getrennt, verschwunden, und so schnell, als er vorhin umringt war, ist er wieder verlassen, denn die Menge zerstiebt, von geheimer Furcht gejagt, nach allen Seiten.

Das Gedränge riß Gustav Lanbek mit sich hinweg; seine Gedanken verwirrten sich, es war ihm noch nicht möglich, sich klar vorzustellen, was diesen seltsamen Auftritt verursacht haben könnte. So stand er einige Augenblicke in seinen Gedanken verloren, als er plötzlich seine Hand von einer andern ergriffen fühlte; er sah sich um, die Orientalin stand vor ihm.


4.

„Wo stammt die Rose her auf deinem Hut, Maske?“ fragte die Orientalin mit zitternder Stimme.

„Vom See Tiberias“, war die Antwort des Sarazenen.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 390–391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_198.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)