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ausgehen, und als der junge Mann an jene empörende Szene zwischen Faldner und der unglücklichen Frau kam, da konnte er sich nicht mehr halten; sein altes, südliches Blut kochte auf, er drückte den Hut tief in die Stirne, wickelte den linken Arm in den Mantel und rief mit blitzenden Augen: „Meinen langen Stoßdegen her, Diego, den mach’ ich kalt, so wahr ich ein guter Christ und spanischer Edelmann bin; ich stech’ ihn nieder und hätte er ein Kruzifix vor der Brust, ich bring’ ihn um, ohne Absolution und ohne alle Sakramente schick’ ich ihn zur Hölle, so thu’ ich. Bring’ mir mein Schwert, Diego.“

Aber Fröben zog den zitternden, vom Zorn erschöpften Alten zu sich nieder; er suchte ihm begreiflich zu machen, wie dies alles nicht nötig sei, denn Josephe sei schon aus der Gewalt des rohen Menschen befreit und lebe getrennt von ihm. Er holte, um ihn noch mehr zu besänftigen, jenes Bild herbei und entfaltete es vor den staunenden Blicken Pedros. Entzückt betrachtete es der Don. „Ja, sie ist es“, rief er, alles übrige vergessend, „meine arme, unglückliche Laura!“ und weinend umarmte er den jungen Mann, nannte ihn seinen lieben Sohn und dankte ihm mit gebrochener Stimme für alles, was er an der unglücklichen Mutter und ihrer armen Tochter gethan.

Am andern Morgen brach er mit Fröben nach dem Gut der Gräfin auf. Es war ein rührender Anblick, wie der alte Mann die schöne, jugendliche Gestalt Josephens umschlungen hielt, wie er ihre Züge aufmerksam betrachtete, wie seine strengen Züge immer weicher wurden, wie er sie dann gerührt auf Auge und Mund küßte. „Ja, du bist Lauras Tochter!“ rief er; „dein Vater hat dir nichts gegeben als sein blondes Haar, aber das sind ihre lieben Augen, das ist ihr Mund, das sind die schönen Züge der Tortosi! Sei meine Tochter, liebes Kind; ich habe keine Verwandten und bin reich; durch Verwandtschaft, mein Herz und einen zwanzigjährigen Gram gehörst du mir näher an als irgend jemand auf der Erde!“ Ihre Blicke, die über seine Schultern weg auf Fröben fielen, schienen diese letztere Behauptung nicht gerade zu bestätigen, aber sie küßte gerührt seine Hand und nannte ihn ihren Oheim, ihren zweiten Vater.

[375] Die Freude des Wiedersehens dauerte übrigens nur wenige Tage. Don Pedro erklärte sehr bestimmt, daß ihn seine Geschäfte nach Portugal rufen, und zugleich schien er gar nicht einzusehen, was Josephen abhalten könnte, ihm dahin zu folgen; er hegte zu strenge Grundsätze über die Artikel seiner Kirche, als daß er den Gedanken für möglich gehalten hätte, Fröben könne Josephe, die getrennte Gattin eines andern, zur Frau begehren. Es ist uns nicht bekannt geworden, was die Liebenden über diesen strittigen Punkt verhandelten; nur so viel ist gewiß, daß Fröben einigemal darauf hindeutete, sie solle zum evangelischen Glauben zurückkehren, daß sie jedoch, zwar mit unendlichem Schmerz, aber sehr bestimmt, diesen Vorschlag abwies. Oft soll ihr der junge Mann in Verzweiflung über die herannahende Trennung vorgeschlagen haben, sie solle Don Pedro ziehen lassen, sie solle für sich leben, in Deutschland bleiben, er wolle, wenn er nicht ihr Gatte werden könne, auf immer als Freund um sie sein. Aber auch dies lehnte sie ab; sie gestand ihm offen, daß sie sich zu schwach fühle, ein solches Verhältnis mit Ehren hinauszuführen, und stolzer gemacht durch ihr Unglück, bebte sie zurück vor dem Gedanken an eine unwürdige Verbindung mit einem Mann, den sie so hoch achtete, als sie ihn liebte. Allein mit sich, gestand sie sich wohl, daß ein noch edelmütigerer Gedanke ihre Schritte lenke. „Sollte er“, sagte sie zu sich, „die Blüte des Lebens an ein unglückliches Geschöpf verlieren, das ihm nur Freundin sein darf? Sollte er den hohen Genuß häuslicher Freuden, das Glück, Kinder und Enkel um sich zu versammeln, wegen meiner aufgeben? Nein, er hat mich schon einmal verloren, und die Zeit wird auch jetzt seinen Schmerz lindern, er wird ein unglückliches Wesen vergessen, das ewig an ihn denken, ihn lieben, für ihn beten wird.“

So schienen denn jene prophetischen Worte Josephens: „Auf immer!“ in Erfüllung zu gehen. Don Pedro verließ mit seiner neuen Verwandtin das Gut der Gräfin, um durch Holland auf die See zu gehen. Fröben, den vielleicht nur der Gedanke, Josephen bald nach Portugal nachzufolgen und dort ihr Freund zu sein, aufrecht erhielt, geleitete die Geliebte auf der Reise durch Deutschland und Holland; und so oft sie ihn bat, durch längeres

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 374–375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_190.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)