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„Ihr Vater und ihre Mutter waren von gutem Hause –“

„Fabeln, Dichtung! Daß ich mich so fangen ließ; ebensogut hätte ich die Kellnerin aus der Schenke heiraten können, wenn sie ein Bierglas im Wappen führte und ein falsches Zeugnis ihrer Geburt brachte!“

„Das ist in meinen Augen das Geringste bei der Sache; die Hauptsache ist, daß du sie gleich von Anfang wie eine Magd behandeltest und nicht wie deine Frau; sie konnte dich nie lieben; ihr paßt nicht füreinander.“

„Das ist das rechte Wort“, entgegnete der Baron, „wir passen nicht zusammen; der Freiherr von Faldner und eine Bettlerin können nie zusammen passen. Und jetzt freut es mich erst recht, daß ich meinem Kopf folgte und sie so behandelte, die Dirne hat es nicht besser verdient. Ich hab’ es ja gleich gesagt, sie hat so etwas Gemeines an sich.“

Diese Roheit empörte den jungen Mann, er wollte ihm etwas Bitteres entgegnen, aber er bezwang sich, um Josephen nützlich zu sein. Er redete mit dem Baron ab, was hierin zu thun sei, und sie kamen darin überein, daß sie die ganze Sache vor die bürgerlichen Gerichte bringen und gegenseitige Abneigung als Grund zur Trennung angeben sollten. Freilich konnte bei ihren Glaubensverhältnissen keiner der beiden Teile hoffen, in einer neuen Verbindung Trost zu finden; aber Josephen, wenn sie auch mit Schrecken in eine hülflose Zukunft blickte, schien kein Los so schwer, daß es nicht gegen die unwürdige Behandlung, die sie in Faldners Hause erdultete, erträglich geschienen hätte, und der Baron, wenn ihn auch in manchen einsamen Stunden Reue anwandelte, suchte Zerstreuung in seinen Geschäften und Trost in den Gedanken, daß ja niemand seine Schande erfahren habe, eine Bettlerin von zweideutigem Charakter zur Frau von Faldner gemacht zu haben.


36.

Einige Wochen nach diesem Vorfall ging Fröben in Mainz, wohin er sich, um doch in Josephens Nähe zu sein, zurückgezogen hatte, auf der Rheinbrücke abends hin und wieder. Er gedachte [373] der sonderbaren Verkettung des Schicksals, er dachte an mancherlei Auswege, die ihn und die geliebte Frau vielleicht noch glücklich machen könnten; da fuhr ein Reisewagen über die Brücke her, dessen wunderlicher Bau die Aufmerksamkeit des jungen Mannes schon von weitem auf sich zog. Bald aber haftete sein Auge nur an dem Bedienten, der auf dem Bock saß; dieses braungelbe, heitere Gesicht, das neugierig um sich schaute, schien ihm ebenso bekannt, als die grellen Farben der Livree. Als der Wagen, der sich auf der Brücke nur im Schritt weiter bewegen durfte, näher herankam, bemerkte auch der Diener den jungen Mann und rief: „San Jago di Capostella! Das ist er ja selbst“; er riß das Wagenfenster auf, das ihn von dem Innern des Wagens trennte, und sprach eifrig hinein. Alsobald wurde auf der Seite des Wagens ein Fenster niedergelassen, und herausfuhr das wohlbekannte Gesicht Don Pedros di San Montanjo-Ligez. Der Wagen hielt; der junge Mann sprang freudig herzu, um den Schlag zu öffnen, und der alte Herr sank in seine Arme. „Wo ist sie, wo habt Ihr sie, die Tochter meiner Laura? O, um der heiligen Jungfrau willen, habt Ihr sie hier? Sagt an, junger Herr! Wo ist sie?“

Der junge Mann schwieg betreten; er führte den Alten auf der Brücke weiter und sagte ihm dann, daß sie nicht weit von dieser Stadt sich aufhalte, und morgen wolle er ihn zu ihr führen.

Der Spanier hatte Freudenthränen im Auge. „Wie danke ich Euch für die Nachrichten, die Ihr mir gegeben!“ sprach er. „Sobald ich Urlaub bekommen hatte, setzte ich mich mit Diego in den Wagen und ließ mich von W. bis hier täglich sechs Meilen fahren, denn länger hielt ich es nicht aus. Und lebt sie glücklich? Sieht sie ihrer Mutter ähnlich, und was erzählt sie von Laura Tortosi?“ Fröben versprach, auf seinem Zimmer alle seine Fragen zu beantworten. Er ließ, nachdem sich der Spanier ein wenig ausgeruht und umgekleidet hatte, Xeres bringen, schenkte ein, Diego reichte, wie damals, die Zigarren, und als Don Pedro recht bequem saß, fing der junge Mann seine Erzählung an. Mit steigendem Interesse hörte ihn der Spanier an; zu großem Ärgernis Diegos ließ er seit zwanzig Jahren zum erstenmal die Zigarre

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 372–373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_189.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)