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Fröben aber ließ sogleich wieder auseinander legen, was nach des Barons eigenmächtigem Plan bisher zusammengefügt war. Die Nummern wurden geordnet, und er wurde unter diesem Geschäft nach und nach heiterer, denn es zerstreute die düsteren Bilder in seiner Seele, und nicht ohne Lächeln bemerkte er, wie ihn der Mechanikus mit leuchtenden Blicken betrachtete, wie ihn seine Gesellen und Jungen gleich einem Altmeister ihrer Kunst ehrfurchtsvoll ansahen. Freude und Leben war in die Werkstätte gekommen, wo man diesen Morgen nur die Befehle, die Flüche des Barons, die Bitten und Gegenreden des Meisters gehört hatte; bald war alles in Ordnung gebracht, und als der Baron abends aus dem Walde zurückkam, seinen Gast abzuholen, erstaunte er und schien sich im ersten Augenblick nicht einmal über das sichtbare Fortschreiten des Werkes zu freuen. Er hatte erwartet, alles in Bestürzung und Konfusion zu treffen, aber der Mechanikus überreichte ihm lächelnd die Zeichnung, führte ihn an den Cylinder und zeigte ihm, indem er bald auf das Papier, bald auf das Werk hindeutete, mit stolzer Freude, was sie bis jetzt schon geleistet haben. „Wenn es so fortgeht“, setzte der Mechanikus hinzu, „und wenn der fremde Herr dort uns auch morgen so trefflich an die Hand geht, so garantiere ich, daß wir noch vor Sonntag fertig werden.“

„Tolles Zeug!“ war alles, was der Baron antwortete, indem er die Zeichnung zurückgab, und Fröben war ungewiß, ob es Flüche oder Danksagungen seien, was sein Freund hin und wieder murmelte, als sie zusammen nach dem Schloß zurückritten.


19.

Der glückliche Fortgang des Maschinenbaues, vielleicht auch die schimmernde Aussicht auf Don Pedros spanische Quadrupel[1], hatte den Baron in den nächsten Tagen fröhlicher gestimmt. Fröben hatte an den Spanier nach W. geschrieben, und sein Gastfreund nahm ihm das Versprechen ab, so lange bei ihm zu verweilen, [323] bis aus W. eine Antwort angelangt sei. Auch gegen Josephe betrug er sich etwas menschlicher, und er hatte ihr, wahrscheinlich mehr aus Rücksicht auf den Freund als auf sie, sogar erlaubt, daß sie ihre Haushaltungsgeschäfte abkürzen und vormittags oder abends, wenn ihn selbst Geschäfte abhielten, sich von Fröben vorlesen lassen oder Spaziergänge mit ihm machen dürfe. Und sie lebte in diesen wenigen Tagen zusehends auf. Ihre Haltung wurde kräftiger, ihre Wangen rötete ein Schimmer von stillem Vergnügen, und in manchen Augenblicken, wenn ein holdes Lächeln um ihre Lippen zog, wenn jene feinen Grübchen in den Wangen erschienen, gestand sich Fröben, daß er selten eine schönere Frau gesehen habe, ja, ihr Anblick verwirrte ihn oft so ganz, daß er ein geliebtes Bild seiner Träume verwirklicht glaubte, daß halbversunkene Erinnerungen wieder in ihm auftauchten, daß sogar ihm ihre Stimme, wenn sie bewegt, gerührt war, so bekannt deuchte, als hätte er sie nicht hier zum erstenmal gehört. Seltener zog er in jenen Tagen das Bild hervor, das er sonst stundenlang betrachtet hatte, und wenn es ihm zufällig in die Hände fiel, wenn er es aufrollte, wenn er in das Auge der unbekannten Geliebten sah, so fühlte er sich beschämt, er glaubte, ihrem leblosen Gemälde diese Vernachlässigung abbitten zu müssen. „Doch“, sprach er dann zu sich, als müßte er sich entschuldigen, „ist es denn unrecht, der armen Freundin einige Tage ihres freudelosen Lebens angenehmer zu machen? Und wie wenig gehört dazu, dieses holde Wesen zu erfreuen, sie glücklicher zu stimmen! Ein schönes Buch mit ihr zu lesen, mit ihr zu sprechen, sie auf einem Spaziergang an ihre Lieblingsplätzchen zu begleiten – dies ist ja alles, was sie braucht, um heiter und froh zu sein. Welchen Himmel könnte Faldner in seinem Hause haben, wenn er nur zuweilen die eine oder andere dieser kleinen Freuden mit ihr teilte!“

Der junge Mann fühlte sich übrigens, ohne daß er es sich selbst recht gestand, angenehm berührt, geschmeichelt von Josephens Anhänglichkeit an ihn. Schien ihr nicht jeder Morgen, jeder Abend ein neues Fest zu sein? Wenn er herabkam zum Frühstück, hatte sie schon alles zierlich und nett bereitet; bald wählte sie den Saal, der eine herrliche Aussicht auf den fernen


  1. Quadrupel hieß eine früher in Spanien geprägte Goldmünze von vier Pistolen (ungefähr 64 Mark).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 322–323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_164.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)