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18.

Der Mechanikus, ein bescheidener Mann, der aber allgemein den Ruf großer Geschicklichkeit genoß, empfing sie an der Thüre. „Noch immer nicht weiter?“ fragte Faldner, indem sein Gesicht sich verfinsterte. „Wahrhaftig, entweder ist mein Korrespondent in London ein Schurke und verdient gehangen zu werden, oder Ihr, Meister Fröhlich, versteht zwar Taschenuhren zusammenzudrechseln, aber keine Dampfmühle aufzuschlagen, wie Ihr mir vorgespiegelt.“

Der Mann schien tief gekränkt durch die Worte des Barons, eine hohe Röte überflog sein Gesicht, und ein bitteres Wort schwebte auf seinen Lippen, aber er unterdrückte es und fuhr mit der Hand über sein schlichtes Haar, als wollte er seinen innern Unmut wie feine Haare glätten. „Halten zu Gnaden, Herr Baron“, antwortete er; „wenn man mir Aufriß und Berechnung einer Maschine vorlegt und dazu Räderwerk und Schrauben so genau verzeichnet sind, so will ich eine Maschine zusammensetzen, wenn ich sie auch nie zuvor gesehen. Aber dann muß ich freies Spiel haben, und dann steh’ ich auch davor, daß alles recht wird, aber so –“

„Nun, daß ich selbst ein wenig mitgeholfen, meint Ihr? Darauf soll also alles geschoben werden? Ihr sagt selbst, daß Ihr in Eurem Leben noch keine solche Maschine gesehen, und ich habe eine gesehen, zwei, drei, in Frankreich und England, und weiß recht gut, daß die größeren Räder in der Mitte des Cylinders eingreifen und die kleineren oben angebracht sind –“

„Aber, mein Gott, erlauben Euer Gnaden“, entgegnete der Künstler ungeduldig, „diese Ihre Dampfmühle ist nun einmal nach anderer Struktur, das kann man ja schon an der Zeichnung sehen.“

„Zeichnung hin, Zeichnung her, Dampfmaschinen sind Dampfmaschinen, und eine sieht aus wie die andere. Betrogen bin ich, von allen Seiten angeführt, das Geld zum Fenster hinausgeworfen.“

Fröben hatte indessen die Zeichnungen zur Hand genommen und sie durchgesehen. Er fand, daß die Struktur dieser Mühle [321] sehr einfach und schön, und wenn die bezeichneten Räder und Schrauben paßten, sehr leicht aufzuschlagen sei. Er hatte in früheren Zeiten Mathematik und Physik gründlich studiert, er hatte zugleich mit dem Freunde die berühmtesten Maschinenwerke gesehen und kennen gelernt, kam aber, weil er sich selten darüber äußerte, bei dem Herrn von Faldner, der sich mit seinen Kenntnissen ungemein viel wußte, in den Verdacht, wenig oder nichts vom Maschinenwesen zu verstehen. Er wandte sich nun, als Faldners Unmut noch größer zu werden drohte, an den Mechanikus, fragte nach diesen und jenen Stücken, die auf der Zeichnung angegeben waren, und als jener sie vorwies, als man sah, wie richtig sie ineinander passen, sagte er zu Faldner: „Ich wollte wetten, du bist durchaus nicht betrogen, denn so gut hier F und H in P passen, du siehst, es sind die Hauptzüge, wodurch die Stampfmühle mit der Ölpresse in Verbindung gesetzt wird, so gut muß sich auch das übrige fügen.“

„Ach, Sie hat unser Herrgott hergesandt“, rief der Mechanikus freudig; „wie Sie doch dies gleich so weg bekamen! Ja, das F ist der Hauptzug, H hier greift in das Stangenwerk ein, hier wird das Rad KL befestigt.“

„Die Maschine ist sehr einfach“, fuhr Fröben fort, „und der ganze Irrtum meines Freundes kömmt daher, daß er die Struktur größerer Werke vor Augen hat, die freilich anders aussehen. Du wirst dich übrigens erinnern, daß wir in Devonshire bei Sir Henry Smith eine Ölmühle sahen, die beinahe ganz nach diesem Plan gebaut war.“

Der Baron verbarg sein Staunen hinter einem ironischen Lächeln, womit er bald den Freund, bald den Mechanikus ansah. „Machet, was ihr wollt“, sagte er gleichgültig, „ich gebe die ganze Geschichte verloren; vernünftiger wäre es gewesen, ich hätte einen englischen Mechaniker mitkommen lassen. Versuche immer dein Heil an dem heillosen Schraubenwerk, ich denke, wenn ich dich in einigen Stunden abhole, wirst du dieses Maschinen-Abc schon satt haben, denn darin, ich weiß es ja, bist du doch nur ein Abc-Schütze.“ Pfeifend verließ er das Gebäude, setzte sich auf und ritt in den Wald.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 320–321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_163.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)