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in seinem Leben, daß den Frauen etwas von Feinheit, Schlauheit, Kraft, Überwindung, kurz, daß ihnen ein Geheimnis innewohne, dem der Mann, selbst der stolze, gewichtige, nicht gewachsen sei.


16.

Der Baron von Faldner war zum Mittagessen zurückgekommen, und Josephe hatte ihn mit ihrer gewohnten Anmut, vielleicht ein wenig ernster als gewöhnlich, empfangen. Aber hastig riß er sich aus ihrer Umarmung. „Ist es nicht zum toll werde, Fröben“, rief er, ohne seine Frau weiter zu beachten. „Mit horrenden Kosten lasse ich mir eine Dampfmaschine aus England kommen, lasse sie, auf die Gefahr hin, daß alles zu Grunde gehe, ausschwärzen, du kennst ja die Gesetze hierüber. Und jetzt, da ich meine, im Trockenen zu sein, da ich schon 80, ja 100 Prozent berechnete, jetzt geht sie nicht!“

„Franz!“ rief Josephe erbleichend.

„Sie geht nicht?“ rief ihr Fröben nach.

„Sie geht nicht“, wiederholte der unglückliche Landwirt. „Die Fugen greifen nicht ein, das Räderwerk steht, es muß irgend etwas verloren gegangen sein. Ich ließ, wie du weißt, Josephe, ich ließ sie mich ja alles kosten, mit teurem Gelde ließ ich einen Mechanikus aus Mainz kommen; ich legte ihm die Zeichnungen vor. ‚Nichts leichter als dies‘, sagte der Hund, und jetzt, da ich ihm A zu A, B zu B gebe, denn es ist alles numeriert und beschrieben, jetzt kann es kein Teufel zusammensetzen; oh! es ist um rasend zu werden!!“

Man setzte sich verstimmt zu Tische. Der Baron verbiß seinen inneren Grimm über die fehlgeschlagene Hoffnung und den wahrscheinlichen Verlust des Kapitals, er trank viel Wein und exaltierte sich zu schlechten Scherzen. Josephe war noch bleicher als gewöhnlich; sie besorgte still ihr Amt als Hausfrau, und nur Fröben wußte einigermaßen ihre Gefühle zu deuten, denn sie vermied es, ihn anzusehen. Ihm quoll der Bissen im Munde; er sah den Unmut einer getäuschten Hoffnung in den Mienen seines Freundes, er sah den Mut, die Entschlossenheit und doch wieder die unverkennbare Angst auf den Mienen der schönen Frau, es war [315] ihm zuweilen, als sei mit ihm erst Unglück über dieses Haus hereingebrochen. Das Gespräch schlich während der Tafel nur mühsam und stockend hin, doch als das Dessert aufgetragen war und die Diener auf Josephes Wink sich entfernt hatten, holte Josephe einigemal mühesam Atem, ihre Wangen färbten sich röter, und sie sprach:

„Du hast heut’ frühe eine recht sonderbare Unterhaltung zwischen mir und deinem Freunde versäumt. Schon oft, wie du weißt, klagten wir über Mangel an Verwandtschaft von meiner Seite, jetzt scheint mir auf einmal ein neues Licht aufzugehen, denn er bringt uns ja viele und angesehene Verwandte ins Haus.“

Verwundert und fragend sah Faldner seinen Freund an; dieser war im ersten Augenblicke etwas betroffen, doch hier galt es mit Umsicht zu handeln. Wunderbar fühlte er in diesem Augenblick das Übergewicht eines Mannes von Welt über die niedere, beinahe rohe Denkungsart eines Baron Faldner, und mit mehr Gelassenheit, mit weiser Benützung der Umstände erzählte er die sonderbare Geschichte des Bildes und seiner Bekanntschaft mit Don Pedro.

Gegen alle Erwartung wurde der Baron zusehends heiterer während der Erzählung. „Ei – sonderbar“, waren die einzigen Worte, die ihm hie und da entschlüpften, und als Fröben geendet hatte, rief er: „Was ist klarer als dies. Donna Laura Tortosi und Laura von Tortheim, der Schweizer Kapitän Tannensee und dein Vater sind dieselben. Und reich, sagst du, lieber Fröben, reich ist der Haushofmeister? Begütert, unverheiratet und hegt noch die alte Vorliebe für seine Dulcinea von Valencia? Ei der Tausend, Josephchen, da könnte es ja noch eine reiche Erbschaft von Piastern geben!“

Josephe hatte wohl diese Äußerung nicht erwartet; der Gast sah ihr an, daß sie dieses gemeine Wort lieber ohne Zeugen gehört hätte; aber eine drückende Last schien sich dennoch ihrem Busen zu entladen, sie drückte die Hand ihres Gatten, vielleicht nur, weil er ihr diesmal weniger Bitteres gesagt hatte als sonst; und ziemlich aufgeheitert sagte sie: „Mir selbst scheint in dem sonderbaren Zusammentreffen unseres Freundes mit dem Spanier eine

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 314–315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_160.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)