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Nur frisch daran, Alter; es kömmt bei allem nur darauf an, daß man klug darüber nachdenkt.“ Der Arbeiter setzte seufzend die Mütze auf, betrachtete noch einmal mit wehmütigem Blick den schönen Apfelbaum und stieß dann schnell, wie es schien, unmutig, den Spaten in die Erde, um zu graben. Der Baron aber pfiff ein Liedchen, wandte sich um, und vor ihm stand ein Mensch, der ihn freundlich anlächelte und ihm die Hand entgegenstreckte. Er sah ihn verwundert an. „Was steht zu Dienst?“ fragte er kurz und schnell.

„Kennst du mich nicht mehr, Faldner?“ erwiderte der Fremde. „Solltest du bei deiner Baumschule London und Paris so ganz vergessen haben?“

„Ist’s möglich, mein Fröben!“ rief jener und eilte, den Freund zu umarmen. „Aber mein Gott, wie hast du dich verändert, du bist so bleich und mager; das kömmt von dem vielen Sitzen und Arbeiten; daß du auch gar keinen Rat befolgst, ich habe dir ja doch immer gesagt, es tauge nicht für dich.“

„Freund!“ entgegnete Fröben, den dieser Empfang unwillkürlich an seine Gedanken unterwegs erinnerte; „Freund, denke doch ein wenig nach; hast du mir nicht immer gesagt, ich tauge nicht zum Landwirt, nicht zum Forstmann und dergleichen und ich müßte eine juridische oder diplomatische Laufbahn einschlagen?“

„Ach, du guter Fröben“, sagte jener zweideutig lächelnd, „so laborierst du noch immer an einem kurzen Gedächtnis? Sagte ich nicht schon damals –“

„Bitte, du hast recht, streiten wir nicht!“ unterbrach ihn sein Gast. „Laß uns lieber Vernünftigeres reden, wie es dir erging, seit wir uns nicht sahen, wie du lebst.“

Der Baron ließ Wein in eine Laube setzen und erzählte von seinem Leben und Treiben. Seine Erzählung bestand beinahe in nichts als in Klagen über schlechte Zeit und die Thorheit der Menschen. Er gab nicht undeutlich zu verstehen, daß er es in den wenigen Jahren mit seinem hellen Kopf und den Kenntnissen, die er auf Reisen gesammelt, in der Landwirtschaft weit gebracht habe. Aber bald hatten ihm seine Nachbarn unberufen dies oder jenes abgeraten, bald hatte er unbegreifliche Widerspenstigkeit [295] unter seinen Arbeitern selbst gefunden, die alles besser wissen wollten als er und in ihrer Verblendung sich auf lange Erfahrung stützten. Kurz, er lebte, wie er gestand, ein Leben voll ewiger Sorgen und Mühen, voll Hader und Zorn, und einige Prozesse wegen Grenzstreitigkeiten verbitterten ihm noch die wenigen frohen Stunden, die ihm die Besorgung seines Gutes übrigließ. „Armer Freund!“ dachte Fröben unter dieser Erzählung. „So reitest du noch dasselbe Steckenpferd, und es geht wie der wildeste Renner mit dir durch, ohne daß du es zügeln kannst?“

Doch die Reihe zu erzählen kam auch an den Gast, und er konnte seinem Freund in wenigen Worten sagen, daß er an einigen Höfen bei Gesandtschaften eingeteilt gewesen sei, daß er sich überall schlecht unterhalten, einen langen Urlaub genommen habe und jetzt wieder ein wenig in der Welt umherziehe.

„Du Glücklicher!“ rief Faldner. „Wie beneide ich dir deine Verhältnisse; heute hier, morgen dort, kennst keine Fesseln und kannst reisen, wohin und wie lange du willst. Es ist etwas Schönes um das Reisen! Ich wollte, ich könnte auch noch einmal so frei hinaus in die Welt!“

„Nun, was hindert dich denn?“ rief Fröben lachend. „Deine große Wirtschaft doch nicht? Die kannst du alle Tage einem Pächter geben, läßt dein Pferd satteln und ziehest mit mir!“

„Ach, das verstehst du nicht, Bester!“ erwiderte der Baron verlegen lächelnd. „Einmal, was die Wirtschaft betrifft, da kann ich keinen Tag abwesend sein, ohne daß alles quer geht, denn ich bin doch die Seele des Ganzen. Und dann – ich habe einen dummen Streich gemacht – doch laß das gut sein, es geht einmal nicht mehr mit dem Reisen.“

In diesem Augenblicke kam ein Bedienter in die Laube, berichtete, daß die gnädige Frau zurückgekommen sei und anfragen lasse, wo man den Thee servieren solle?

„Ich denke, oben im Zimmer“, sagte er, leicht errötend, und der Diener entfernte sich.

„Wie, du bist verheiratet?“ fragte Fröben erstaunt. „Und das erfahre ich jetzt erst! Nun, ich wünsche Glück; aber sage mir doch

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 294–295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_150.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)