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Gnaden bewahren! Sie gestand mir, daß sie den Schweizer längst geliebt habe, als sie mich noch gar nicht kannte. Daß sie aus Furcht vor dem Zorn ihrer Mutter, die alle Fremden hasse, ihn immer zurückgehalten, um sie zu werben; daß sie, von den Drohungen meiner Tante genötigt, meine Anträge sich habe gefallen lassen. Sie nahm alle Schuld auf sich, sie schwur mit den heiligsten Eiden, daß Tannensee mir oft habe alles gestehen wollen, und nur durch ihr Flehen, durch ihre Furcht, nachher strenger verwahrt zu werden, sich habe zurückhalten lassen. Sie deutete mir ein schreckliches Geheimnis an, das die Ehre der Familie beflecken werde, wenn ich ihr und dem Hauptmann nicht zur Flucht verhelfe. Sie beschwor mich, von meinem Streit abzustehen, denn wenn er falle, so bleibe ihr, seiner Gattin, nichts übrig, als sich das Leben zu nehmen. Sie schloß damit, meine Großmut anzurufen, sie werde mich ewig achten, aber niemals lieben.

Ihr werdet gestehen, daß ein solcher Brief gleich kaltem Wasser alle Flammen der Liebe löschen kann; er löschte sogar zum Teil meinen Zorn. Aber vergeben konnte ich es meiner Ehre nicht, daß ich betrogen war, darum stellte ich mich zur bestimmten Stunde auf dem Kampfplatz ein. Der Kapitän mochte tief fühlen, wie sehr er mich beleidigt; obgleich er ein besserer Fechter war als ich, verteidigte er sich nur, und nicht seine Schuld ist es, daß ich meine Hand, hier zwischen Daumen und Zeigefinger, in seinen Degen rannte, so daß ich außer stand war, weiter zu fechten. Ich gab ihm, während ich verbunden wurde, Lauras Brief. Er las, er bat mich flehend, ihm zu vergeben; ich that es mit schwerem Herzen.

Die Geschichte meiner Liebe ist zu Ende, Don Fröbenio, denn fünf Tage darauf war Donna Laura mit dem Schweizer verschwunden.“

„Und mit Ihrer Hülfe?“ fragte Fröben.

„Ich half, so gut es ging. Freilich war der Schmerz meiner Tante groß; aber in diesen Umständen war es besser, sie sah ihre Tochter nie wieder, als daß Unehre über das Haus kam.“

„Edler Mann! Wie unendlich viel muß Sie dies gekostet haben! Wahrhaftig, es war eine harte Prüfung.“

[289] „Das war es“, antwortete der Alte mit düsterem Lächeln. „Anfangs glaubte ich, diese Wunde werde nie vernarben; die Zeit thut viel, mein Freund! Ich habe sie nie wiedergesehen, nie von ihnen gehört, nur einmal nannten die Zeitungen den Obrist Tannensee als einen tapfern Mann, der unter den Truppen Napoleons in der Schlacht von Brienne[1] dem Feinde langen Widerstand gethan habe. Ob es derselbe ist, ob Laura noch lebt, weiß ich nicht zu sagen.

Als ich aber in diese Stadt kam, jene Galerie besuchte und nach zwanzig langen Jahren meine Laura wiedererblickte, ganz so, wie sie war in den Tagen ihrer Jugend, da brachen die alten Wunden wieder auf und – nun, Ihr wisset, daß ich sie täglich besuche.“


8.

Mit umständlicher Gravität, wie es dem Haushofmeister eines p…schen Prinzen, einem Mann aus altkastilischem Geschlechte geziemte, hatte Don Pedro di San Montanjo-Ligez seine Geschichte vorgetragen. Als er geendet, trank er einigen Xeres, lüftete den Hut, strich sich über Stirne und Kinn und sagte zu dem jungen Mann an seiner Seite: „Was ich wenigen Menschen vertraut, habe ich Euch umständlich erzählt, Don Fröbenio, nicht, um Euch zu locken, mir mit gleichem Vertrauen zu erwidern, obgleich Euer Geheimnis so sicher in meiner Brust ruhte als der Staub der Könige von Spanien in Eldorado – obgleich ich gespannt bin, zu wissen, inwiefern Euch jene Dame interessiert – aber Neugier ziemt dem Alter nicht, und damit gut.“

Fröben dankte dem Alten für seine Mitteilung. „Mit Vergnügen werde ich Ihnen meinen kleinen Roman zum besten geben“, sagte er lächelnd, „er betrifft keiner Dame Geheimnisse und endet schon da, wo andere anfangen. Aber wenn Sie erlauben, werde ich morgen erzählen, denn für heute möchte es wohl zu spät sein.“


  1. Bei Brienne wurde Napoleon I. am 29. Januar 1814 von Blücher in blutiger Schlacht besiegt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 288–289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_147.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)