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für die Frauen. Seine ganze Erscheinung war so neu in diesem Lande, wo die Sonne die Gesichter dunkel färbt, wo unter schwarzem Haar schwarze Augen blitzen; und wenn er von den Eisbergen, von dem ewigen Schnee seiner Heimat erzählte, so lauschte man gerne auf seine Rede, und manche Dame mochte schon den Versuch gemacht haben, das Eis seines Herzens zu zerschmelzen.

Eines Morgens kam ein Freund zu mir, der um meine Liebe zu Laura wußte, und gab mir in allerlei geheimnisvollen Reden zu verstehen, ich möchte entweder auf der Hut sein oder ohne das Majorspatent meine Base heiraten, indem sonst noch manches sich ereignen könnte, was mir nicht angenehm wäre. Ich war betreten, forschte näher und erfuhr, daß Donna Laura bei einer verheirateten Freundin hie und da mit einem Mann zusammenkomme, der in einen Mantel verhüllt ins Haus schleiche. Ich entließ den Freund und dankte ihm. Ich glaubte nichts davon, aber ein Stachel von Eifersucht und Mißtrauen war in mir zurückgeblieben. Ich dachte nach über Lauras Betragen gegen mich, ich fand es unverändert; sie war hold, gütig gegen mich wie zuvor, ließ sich die Hand, wohl auch den schönen Mund küssen – aber dabei blieb es auch; denn jetzt erst fiel mir auf, wie kalt sie immer bei meiner Umarmung war, sie drückte mir die Hand nicht wieder, wenn ich sie drückte, sie gab mir keinen Kuß zurück.

Zweifel quälten mich; der Freund kam wieder, schürte durch bestimmtere Nachrichten das Feuer mächtiger an, und ich beschloß bei mir, die Schritte meiner Dame aufmerksamer zu bewachen. Wir speisten gewöhnlich zusammen, der Oheim, die Tante, meine schöne Base und ich. Am Abend des Tages, als mein Freund zum zweitenmal mich gewarnt, fragte die Tante bei Tische ihre Tochter, ob sie ihr Gesellschaft leisten werde auf dem Balkon?

Sie antwortete, sie habe ihrer Freundin einen Besuch zugesagt. Unwillkürlich mochte ich sie dabei schärfer angesehen haben, denn sie schlug die Augen nieder und errötete. Sie ging eine Stunde, ehe die Nacht einbrach, zu jener Dame. Als es dunkel wurde, schlich ich mich an jenes Haus und hielt Wache; rasende Eifersucht kam über mich, als ich die Straße herauf, nahe an die Häuser gedrückt, eine verhüllte Gestalt schleichen sah. Ich stellte [287] mich vor die Hausthüre, die Gestalt kam näher und wollte mich sanft auf die Seite schieben. Aber ich faßte sie am Gewand und sprach: ‚Sennor, wer Ihr auch seid, in diesem Augenblick glaube ich einen Mann von Ehre vor mir zu haben, und bei Eurer Ehre fordere ich Euch auf, steht mir Rede.‘

Bei dem ersten Ton meiner Stimme sah ich ihn zusammenschrecken; er besann sich eine kleine Weile und entgegnete dann: ‚Was soll es?‘

‚Schwört mir bei Eurer Ehre‘, fuhr ich fort, ‚daß Ihr nicht wegen Donna Laura de Tortosi in dieses Haus geht.‘

‚Wer erkühnt sich, mir über meine Schritte Rechenschaft abzufordern?‘ rief er mit dumpfer, verstellter Stimme. An seiner Aussprache merkte ich, daß er ein Fremder sein müsse; eine düstere Ahnung ging in meiner Seele auf; ‚der Kapitän de San Montanjo wagt es‘, antwortete ich und riß ihm, ehe er sich dessen versah, den Mantel vom Gesicht – es war mein Freund Tannensee, der Schweizer.

Er stand da wie ein Verbrecher, keines Wortes mächtig. Aber ich hatte meinen Degen blank gezogen, und sprachlos vor Wut deutete ich ihm an, dasselbe zu thun. ‚Ich habe keine Waffen bei mir, als einen Dolch‘, erwiderte er. Schon war ich willens, ihm ohne Zögern den Degen in den Leib zu rennen; aber als er so regungslos auf alles gefaßt vor mir stand, konnte ich das Schreckliche nicht vollbringen. Ich behielt noch so viel Fassung, daß ich ihn bestimmte, am andern Morgen vor dem Thor der Stadt mir Rechenschaft zu geben. Die Thüre hielt ich besetzt; er sagte zu und ging.

Noch lange hielt ich Wache, bis endlich die Sänfte für Laura gebracht wurde, bis ich sie einsteigen sah; dann folgte ich ihr langsam nach Hause. Die Qualen der Eifersucht ließen mich keinen Schlaf auf meinem Lager finden, und so hörte ich, wie sich um Mitternacht Schritte meiner Thüre näherten. Man pochte an; verwundert warf ich meinen Mantel um und schloß auf; es war die alte Dienerin Lauras, die mir einen Brief übergab und eilends wieder davonging.

Sennor! Gott möge Euch vor einem ähnlichen Brief in

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 286–287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_146.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)