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Die Glücklichen sanken sich in die Arme, sie umarmten sich, den Vater, den guten Ladenstein, ja es schien fast, als möchten sie noch mehr Zeugen ihres Glückes. Und nun ging es an ein Akkordieren[WS 1] wegen der Hochzeit, der Graf wollte lieber heut’ als morgen und hätte gern sein liebes Bräutchen nur so im Hauskleidchen, wie sie da stand, ins Münster geführt; aber dagegen sträubte sie sich selbst; sie sah gar zu naiv aus, als sie so ernsthaft sagte: „Nein, wenn es einmal sein muß, so muß es auch recht sein. Im Hausüberröckchen traut man kein reputierliches Fräulein.“ Der Präsident stimmte bei, er sagte, sie haben ja noch gar nichts, wo sie nur ihr Haupt hinlegen könnten, keine Wohnung, keinen Stuhl, kein Bette!

Aber dagegen protestierte wieder Ladenstein feierlich: „Ein Vierteljahr ist viel zu lang, und was den Ort betrifft, wo sie ihr Haupt hinlegen könnten, da habe ich ein so anständiges Plätzchen ausersehen, wie man es nur wünschen kann. Da ist –“ – er zog eine große Schreibtafel hervor, nahm mehrere Papiere heraus und entfaltete sie – „da ist ein gerichtlich ausgefertigter Kaufbrief von Schloß und Herrschaft Groß-Lanzau, drei Viertelstunden von hier, angekauft für den Herrn Grafen Emil von Martiniz, wenn Sie ihn kennen, und ihm von seinem Oheim zur Morgengabe übermacht, kann heute schon bezogen werden, wenn es ihm gefällig ist.“

Die drei machten große Augen; Emil stürzte dem alten Herrn an den Hals: „Mein teurer, väterlicher –“

„Still, still, ist schon gut“, unterbrach ihn der alte Herr, indem er ihm die Hand auf den Mund legte, „bedenke dein Versprechen; ich habe hier nur den Geschäftsträger gemacht, danke deinem Onkel, wenn er einmal da ist!“ – „Ach, wo ist er denn, der gute Onkel“, rief Ida, „daß ich ihm danken kann für seine unendliche Güte!“

„Wird auch kommen zu seiner Zeit“, antwortete Ladenstein, indem ihm eine Thräne der Rührung im Auge blinkte, „er wird schon kommen und eine Freude an seinem holden Töchterchen haben, einstweilen soll ich Idchen in seinem Namen küssen.“ Er gab ihr einen recht väterlichen Kuß auf die schöne Stirne.

[199] Der Präsident hatte indessen die Papiere durchgesehen, je länger er las, desto größer und staunender wurden seine Augen; ehrfurchtsvoll faltete er die Papiere zusammen und sagte: „Nein, das ist zu arg, das ist zu viel, bedenket Kinderchen, nicht nur das herrliche Groß-Lanzau mit dem schönen neuen Schloß ganz durch und durch elegant ausmöbliert, mit Stallung und Pferden, mit Scheunen und Knechten, mit Wäldern und Feldern, weiß Gott, seine zweimalhunderttausend Thaler unter Brüdern wert, nein, bedenkt auch noch –“

„Still’ alter Herr“, unterbrach ihn Ladenstein, „macht kein solches Wesen von dem Zeug; Ihr wißt, der alte Martiniz kann es geben und gibt es gern. Da ist auch noch etwas in den Papieren für das liebe Bräutchen, nämlich ein kleines Schlößchen, hart am Fluß, ein Stündchen von hier, man hat mir gesagt, daß Idchen immer gerne an jenem Plätzchen gewesen sei, und deswegen hat es der Herr Onkel seiner lieben Nichte erb- und eigentümlich zum Brautgeschenk übermacht.“

Voll freudigen Schreckens schlug das Mädchen die Hände zusammen: „Doch nicht mein liebes Blauenstein?“ rief sie.

„Eben dasselbe“, antwortete Ladenstein und überreichte ihr die Schenkungsakte.

Sie konnte es nicht fassen, sie tanzte mit dem großen Brief im Zimmer umher wie närrisch und rief immer: „Mein Blauenstein, mein liebes, herziges Blauenstein!“ daß die drei unwillkürlich über die possierliche Freude des Mädchens lachen mußten.

Es ist aber auch wahr, man kann nichts Schöneres sehen als dieses Blauenstein. Ein allerliebstes Schlößchen mit fünf bis sechs elegant eingerichteten Zimmern und einem Salon, auf drei Seiten von einem schönen Wald umgeben, und die vierte Seite, die Fassade des Schlößchens, gegen den schönen Fluß geöffnet, und eine paradiesische Aussicht hinüber in Thäler und Berge – und dieses lauschige, liebliche Plätzchen ihr ganz eigen, ihr, dem fröhlichen Bräutchen, und dort zu wohnen als Frauchen mit ihrem Emil – gewiß, ein solcher Gedanke hätte manche andere tanzen gemacht!

Und jetzt hatte der Präsident auch nicht das geringste mehr

Anmerkungen (Wikisource)

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 198–199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_102.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)