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Gewaltigen, als sie sich freute zu sehen, was sie für ein Gesicht machen werde, wenn man ihr es ankündige.

Endlich – ja er war es; in seiner glänzenden Uniform wie gestern trat er heraus – mit ihm Ladenstein; nein, wie aber dieser geputzt war! Sie hatte, als sie sich bei Hof präsentieren ließ, einmal einen …schen Gesandten gesehen, gerade so war er gekleidet; der Frack starrte von goldner Stickerei, ein handbreites Ordensband ging ihm über die Brust quer herab, auf der Brust – was tausend, da hatte er ja sogar einen Stern! „Nun, das muß doch ein vornehmer Herr sein, der Herr von Ladenstein“, dachte Ida und machte große Augen, „und sonst sieht er doch ganz schlicht aus.“

Es kam die Treppe herauf, es pochte an ihrer Thüre, gewiß wollte Emil noch einmal – nein, es war nur Ladenstein, aber auch dieser war ihr willkommen. Aber so freundlich er lächelte, so war es ihr doch, als könne sie heut’ nicht so ungeniert sein als früher. Sie machte einen tiefen, tiefen Hof-Galla-Knix, als er so bebändert, besternt und übergoldet zu ihr eintrat, und wußte nicht gleich recht, wie sie ihn empfangen sollte; er aber lachte ihr gerade ins Gesicht: „Ich weiß wohl, woran es liegt, daß mich Fräulein Ida nicht empfängt wie einen alten Freund, die paar Ellen Band da! Ei, ei, das hätte ich doch nicht gedacht, daß sich eine junge Dame dadurch gleich so einschüchtern ließe!“ Sie sammelte sich und lachte sich jetzt selbst recht aus, daß sie ihn so steif und förmlich wie eine ungeheure Respektsperson empfangen habe; er zog sie zutraulich zu sich auf den Diwan und erzählte, daß Emil in diesem Augenblick mit seiner Werbung vor dem Papa stehe, und sie hoffentlich recht bald als Bräutchen umfangen werde.

Das Mädchen ward feuerflammrot, sie hatte sich noch von keinem Menschen Braut nennen hören, es war ihr ein so ungewohntes Wörtchen, und doch kam es ihr selbst wieder vor, als seie es ihr recht bräutlich zu Mut.

„Er selbst“, fuhr der freundliche Alte fort, „seie als Reservebataillon und Hinterhalt aufgestellt; er habe sich darum mit all seinem[WS 1] Flitterputz angethan, um damit dem Herrn Papa-Präsidenten, [195] wenn er etwa noch einiges Bedenken tragen sollte, über den Hals zu fallen.“

Ida ward recht nachdenklich, als sie aus Ladensteins Mund hörte, daß es denn doch fehlen könne, und sagte: „Ach, vor meinem Vater ist mir nicht so bange, der gibt am Ende schon nach, wenn ich ihn recht schön bitte, aber der Onkel.“ – „Nun, was für ein Onkel ist denn das?“ fragte Ladenstein aufmerksam und neugierig.

„Emils Onkel, wissen Sie denn nichts von dem? Ach Gott! Das soll ein gar böser alter Herr sein“ – Ladensteins Gesicht zog sich immer mehr in die Länge bei diesen Nachrichten – „das hat mir Hofrat Berner, der den jungen Grafen und seine Verhältnisse kennt, gesagt; von ihm hängt Emil ab, denn er soll ihn so liebhaben wie seinen Vater, und der alte Herr soll auch sehr viel an dem Neffen thun“ – es zuckte wie tiefe Rührung in Ladensteins Gesicht – „wenn nun dieser die Sache erfährt“, setzte sie traurig hinzu, „wenn er dem Grafen eine Schönere, eine Bessere ausgesucht hätte, wenn er nein sagt.“

„Oh, er sagt nicht nein, er kann keine Bessere finden“, unterbrach sie der alte Herr voll wunderbarer Rührung.

„Keine Treuere wenigstens nicht, keine, die ihn mehr ehren würde; ach, wenn man nur den erweichen könnte; sehen Sie, Ladenstein“, sagte sie unter Thränen lächelnd, „ich habe mir eine kleine List ausgedacht, es ist zwar eine Kriegslist, aber doch wohl eine erlaubte, und Sie habe ich dazu ausersehen, daß Sie mir dabei helfen. Sie kennen die Szene aus der Kirche, die ich Ihnen gestern zeigte, die habe ich nun ganz eigentlich für den alten Martiniz entworfen. Sehen Sie, wenn er etwa zweifelt, daß ich seinem Neffen so recht von Herzen gut bin, so – das thun Sie mir schon zu Gefallen, und Sie kennen den alten Herrn gewiß – so zeigen Sie ihm die Gruppe da, sagen Sie ihm, ich seie es gewesen, die seinen Emil von dem schrecklichen Wahn befreite; wollen Sie?“ –

Der alte Herr nickte ihr stumm seine Einwilligung zu, die hellen Thränen rollten ihm durch die gefurchten Wangen, er war so tief gerührt, daß er nicht sprechen konnte; er faßte ihre

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: einem
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 194–195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_100.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)