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Zureden gab er wirklich weich und – rühmte sich heimlich von ihr erhaltener Begünstigungen, die Emils Blut zu Eis erstarren ließen. Plötzlich aber, wie eine Erleuchtung von oben, trat ihm das Bild des unschuldigen, engelreinen Kindes, mit ihrem sanften Blick, mit ihrem keuschen, jungfräulichen Erröten vor das Auge – nein! nein! rief es mit tausend Stimmen in ihm, es kann ja nicht wahr sein, so weit verfehlt sich der Himmel nicht, daß er die heiligste Unschuld auf die Züge einer Metze malte. Er stand auf und stellte sich dicht vor den Rittmeister: „Von wem sprechen Sie da, mein Herr?“ fragte er ihn. Der Rittmeister konnte sich nichts Erwünschteres denken, als daß endlich die Engelsgeduld von dem zivilen Gräfchen gewichen sei. Er wollte ihn mit einem Blicke einschüchtern und setzte daher an, die Augen recht an ihn hinrollen zu lassen; da kam er aber an den Falschen.

Er begegnete einem jener Glutblicke, die dem Grafen so eigen waren; Hoheit, Mut, Zorn, alles sprühte auf einmal wie mit einem Feuerstrom aus diesen Augen auf ihn zu, daß er die seinigen betroffen niederschlug. „Was fällt Ihnen ein; was kümmert Sie unser Gespräch? Es ist hier niemand, der danach zu fragen hätte.“

„Sie haben“, fuhr der Graf mit großer Mäßigung fort, „Sie haben dem ganzen Zimmer hier mit vernehmlicher Stimme ihre Sottisen erzählt, es hat also auch jeder das Recht, zu fragen, von wem Sie sprachen, und ich frage jetzt!“

„Mein Herr, das kommt mir schnackisch vor“, lachte der Rittmeister; „es kann doch wahrhaftig jeder von seinem Schätzchen reden, ohne daß ein anderer sich darein zu legen hätte. Wenn Sie übrigens durchaus uns mit Ihrer Gesellschaft beehren wollen, Kellner, noch einen Kelch hieher für den Herrn da!“

„Ist unnötig“, rief der Graf, „es ist mir durchaus nicht um Ihre werte Gesellschaft zu thun, sondern nur die Frage, die ich an Sie that, möchte ich gerne beantwortet haben.“

„Nun ja“, schnarrte Sporeneck, „wenn Sie sich durchaus in meine Herzensangelegenheiten mischen müssen, was ich übrigens nicht sehr delikat finde: ich habe von Fräulein Ida von Sanden, meiner Nachbarin, gesprochen.“

[173] „Und von dieser Dame wagen Sie auf so freche Weise zu sprechen, wie Sie vorhin thaten?“

„Wer will es mir wehren?“ lachte der Rittmeister und maß den Grafen von oben bis unten, wobei er übrigens sich hütete, seinem Auge zu begegnen. „Wer will es mir wehren, ein jeder kann zu seinem Heu Stroh sagen!“

„Sie beharren also auf dem, was Sie von der Dame aussagten!“

„Dame hin oder her“, antwortete der Rittmeister, „Sie fangen an, anmaßend zu werden; ich werde vor Ihnen und zehn solcher – Polacken behaupten, was ich sagte.“

„Nun ja“, sagte der Graf, indem er sich stolz aufrichtete und an die übrigen Offiziere, die bisher mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört hatten, wie der Graf geschraubt würde, sich wandte, „nun ja, so muß ich nur Sie bedauern, meine Herrn, daß Sie sich auf diese Art unterhalten lassen von diesem erbärmlichen Lügner.“

„Donner und alle Teufel“, fuhr der Rittmeister auf, „wie kommen Sie mir vor, Herr! Ich glaube, Sie haben Platz zwischen den Rippen für blaue Bohnen.“

„Thun Sie, was Ihnen beliebt“, sagte der Graf, „ich wohne hier und bin auf Nr. 2 zu finden.“ Er ging, der alte Theresienritter mit ihm. „Das ist spaßig“, lachte der Rittmeister, obgleich es ihm nicht recht frei von der Brust wegging, „das ist spaßig, daß ich in Freilingen einen kleinen Gang zu machen habe!“

Die Dragoner saßen noch ganz verdutzt über den schnellen Ausgang der Schrauberei. „Hol’ mich der Teufel“, sagte ein alter Lieutenant, „das Kerlchen nahm sich doch so übel nicht bei der Sache; er hat einen verfluchten Anstand, und es ist, als wäre er schon mehr dabei gewesen!“

Man beriet sich jetzt, was zu thun sei, man verteilte die Rollen, Schulderoff sollte des Rittmeisters Sekundant sein, den alten Lieutenant bestimmte man, Martiniz denselben Dienst zu leisten, wenn er nicht sonstwo einen Sekundanten auftreiben könnte. Der Rittmeister zeigte eine ungemeine, spaßige Fröhlichkeit, meinte, es müsse sich ganz herrlich ausnehmen, wenn so ein Herrchen vom

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 172–173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_089.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)