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zusammengekneipt, daß sie ganz weiß wurden, sein Auge rollte unstet umher, schien sie zu suchen, zu fassen, und doch schlug er es nieder, so oft er ihrem Blick begegnete; es war ihr ganz bange ums Herzchen, als ahne sie irgend ein Unglück; sie klügelte hin und her, was ihm sein könnte, und fand immer nichts.

Die Gräfin zog sich jetzt in ihre Zimmer zurück, um sich umzukleiden. Ida sah ihr mit leichterem Herzen nach, denn sie hoffte – sie gestand es sich nur so halb und halb, daß sie es hoffte, aber sie hoffte, der Graf werde vielleicht an dem Gespräch von vorhin fortmachen, aber sie täuschte sich bitter; er sagte kaum ja oder nein, wenn sie ihn etwas fragte, finster sah er immer vor sich hin, und nach ein paar Minuten sprang er auf und ging. Was hatte man ihm doch gethan? Es war und blieb ihr unbegreiflich. Endlich aber fiel ihr ein, der Rittm–, ja, das war es, eifersüchtig war der gute Graf. Sie mußte lachen, als ihr der Gedanke kam. Sie fühlte sich so rein und unschuldig, daß es ihr ein leichtes schien, den Grafen zu überzeugen; aber Strafe soll er leiden, der Unartige, nahm sie sich vor; wenn er mir die Aarstein zu viel ansieht, so will ich immer von dem Rittmeister sprechen und ihn recht bös machen.

Das gute, fröhliche Kind; wie wenig dachte sie daran, was Eifersucht Böses anrichten könne, wie wenig ahnte sie, was ihrer wartete.



Eifersucht.

Das Gift, das die Gräfin Natterzunge ausgesprützt hatte, wirkte viel tödlicher auf Martiniz, als man hätte denken sollen. Ein anderer hätte entweder der Gräfin keinen Glauben beigemessen, hätte gedacht, nun das ist so das gewöhnliche Sekkieren[1] und wieder Sekkieren unter den Damen, und damit holla; aber auf sein Gemüt, das kaum erst von seinem Trübsinn, von seinem Mißmut, seinem Unglauben an die Welt geheilt war, auf ihn machte es einen viel tieferen Eindruck; dieses Mädchen, das so hoch stand in seiner Meinung, auch dieses sollte so leicht wägen wie alle? Auch sie sollte [147] so zwanzig, dreißig Liebschäftchen und am Ende noch eine rechte tüchtige Amour mit einem leichten Rittmeister gehabt haben?

Aber wie? wenn er sich recht fragte, was ging es denn ihn an, ob ein Mädchen in der Residenz sich verliebt oder nicht, ob sie einem Rittmeister viel oder wenig Gehör gibt? was ging es denn ihn an? Das flüsterte ihm sein tief zerrissenes Herz zu, das, daß sie die Maske der hohen, reinen Jungfrau so künstlich vorhielt, daß sie ihn begünstigte, ja er durfte sagen, an sich zog, während sie noch einen andern, wie es schien, Unwürdigen im Herzen trug; aber vielleicht, es war ja doch möglich, vielleicht war es doch nicht wahr, vielleicht hatte jener nur sich eingebildet, von ihr geliebt zu werden, und er, er war vielleicht doch ihre erste Lie–

„Bitte unterthänigst um Vergebung, wenn ich störe“, schnatterte ein Jockey, der während des Grafen Selbstgespräch ins Zimmer gekommen war, „der Herr Rittmeister von Sporeneck –“

„Was Teufel! hatte nicht die Aarstein jenen Sporeneck genannt? Sollte er hier sein?“

„Lassen sich Exzellenz zu Gnaden empfehlen“, fuhr jener fort, „und ob der Herr Graf dem Herrn Rittmeister nicht eines Ihrer Zimmer vornheraus abtreten wollten?“

Da hatte er es ja; ein Zimmer sollte er abtreten, weil gerade gegenüber Idas Boudoir, Besuch- und Schlafzim– nein, er konnte es nicht thun, diese Forderung war zu unverschämt – gedankenlos starrte er den Bedienten an, der ihm die Unglücksbotschaft hinterbracht hatte. Dieser glaubte, der Graf wolle noch weitere Aufträge von seinem Herrn, und schnatterte weiter:

„Die Zimmer im oberen Stock sind zwar auch nicht zu verachten, aber mein Herr hat gesagt, es seie ihm nur um die schöne Aussicht, und da hat er gemeint, Exzellenz könnten vielleicht eines von den drei –“

„Nein! –“ rief der Graf mit einem so schrecklichen Ton und rollte so finster die Augen dazu, daß dem armen Jockey ganz wind und weh dabei wurde und sich das Abschiedswinken des Grafen nicht zweimal vormachen ließ.

Da hat er es ja sonnenhell, daß ihm das Licht in den Augen weh that, da hat er es; der Rittmeister, nichts Gewisseres, war


  1. Sekkieren (vom ital. seccare), d. h. belästigen, quälen.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 146–147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_076.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)