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an Ida zu rächen, in die er, er mußte es sich zu seiner Schande gestehen, bis zum Tollwerden verliebt war, und die ihm nicht einmal ein Küßchen – nein, es war zu unverschämt; bei andern hatte er nach den ersten Präliminarien beinahe ohne Schwertstreich gesiegt, und dieses Landpomeränzchen hatte ihm so imponiert, daß er es nicht wagte, nachdem sie ihn einmal mit Verachtung abgewiesen hatte, noch einmal einen Versuch zu machen; und diese Blame[WS 1] war ausgekommen, man wußte es sogar in dem kleinen Nest Freilingen, zwanzig Meilen von der Residenz; sein Kamerad Schulderoff, die ehrliche Haut, hatte ihn beschworen, sich zu räch–. Es mußte sein; Rache wollte er nehmen an der stolzen Jungfrau, daß ihr die Haut schaudern sollte.

Am andern Morgen fuhr ein Reisewagen mit den gräflich Aarsteinischen Wappen zum Thor hinaus; bald nachher jagte der Rittmeister von Sporeneck mit seinem Jockei hintendrein, eine Stunde vor der Stadt gab er das Pferd dem Jockei und setzte sich in den gräflichen Reisewagen, und fort ging es über Stock und Stein, bis man den Münsterturm von Freilingen sah. Dort stieg er aus, küßte noch einmal eine schöne Hand, die ihm aus dem Wagen geboten wurde, saß auf und ritt auf einem Umweg in die Stadt, wo er sich im Gasthof zum Goldenen Mond einquartierte.



Trübe Augen.

Ida fühlte einen tiefen Stich im Herzen, als sie die Gräfin aus dem Wagen steigen sah. „Nun adieu, Liebes- und Lebensglück“, seufzte sie, indem sie einen trüben Blick über Martiniz hinfliegen ließ und zur Treppe eilte, um den erlauchten Gast zu empfangen, „nun adieu, Liebesglück, wenn dieses Weib in mein Leben greift!“

Sie zerdrückte eine Thräne des Unmuts über ihr Geschick und ging weiter. So ungefähr muß es jenen unschuldigen Tierchen zu Mut sein, wenn sie die Riesenschlange erblicken und, von ihrem greulichen Anblick übertäubt, nicht auf ihre Flucht denken, sondern in geduldiger Resignation dem Verderben entgegengehen.

Mit jener Leichtigkeit und Grazie, die man in höheren Verhältnissen von Kindheit an studiert, wußte die Gräfin schnell über [141] das Unangenehme der ersten Augenblicke hinüberzukommen. Sie war die Freundlichkeit, die Herzlichkeit selbst. So weit hatte es freilich Ida in der Bildung nicht gebracht, daß sie denen, die sie nicht lieben konnte, wie ihren wärmsten Freunden begegnete. Auch war sie die Überraschte und die Gräfin die Überraschende, daher war Ida etwas befangen und zeremoniös beim Empfang der hohen Dame, aber ihr natürlicher Takt sagte ihr, daß sie jede andere Rücksicht beiseite setzen müsse, um nur die im Auge zu haben, die Gräfin, die nun einmal ihr Gast war, anständig und würdig zu behandeln.

Um wieviel edler waren die Motive, welche Ida bei ihrem Betragen leiteten, als die der Gräfin! so verschieden als Natur und Kunst. Die Aarstein wußte gegen jeden, auch wenn sie ihn bitter haßte und ihm hätte den Dolch in den Leib rennen mögen, freundlich und leutselig zu sein. Sie konnte ihm etwas Verbindliches sagen, wenn sie das bitterste Wort auf der Zunge hatte. Aber so sind jene Gesellschaftsmenschen, die nichts Höheres kennen, als sich zu produzieren. Wenn man in ihre Cercles tritt, glaubt man in die alten Zeiten zu kommen, wo noch alles so brüderlich und freundlich war; da ist alles übertüncht, alles hat den schönen Anstrich der Geselligkeit, aber man soll nur einmal hinhorchen, wie es da über die ehrlichen Leute hergeht, wie medisant[WS 2] da alles bekrittelt wird, wie da der Bruder, der Freund gewiß sein darf, von dem, der ihm gerade noch so schön gethan, ohne Schonung bitter bespöttelt zu werden.

Aber ist es nicht überhaupt in der Welt so? Sucht nicht immer einer dem andern soviel als möglich Abbruch zu thun? Wohl dem, der es dahin gebracht hat, daß er ruhig in dieses böse Treiben hineinsieht und dazu lächelt. Mit Ruhe und dem Bewußtsein, Gutes gewollt zu haben, in der zufriedenen Brust lache ich über den Spott meiner Neider, über die hämischen Bemühungen jener Falschmünzer, die mit schnöder Schadenfreude aus allem, was man je gesagt und gedacht, nicht gesagt und nicht gedacht hat, Gift saugen und in ihrer frechen Leumundsiederei ein Gebräu zusammenkochen, das sie gerne mir unterschieben möchten!

Sie sind zu bedauern, solche schlechte Menschen, die, von Neid

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Das französische Blâme (Tadel, Rüge, Verweis) ist im Deutschen um die Bedeutung „üble Nachrede, übler Ruf“ erweitert worden (vlg. Adelung).
  2. Sarkastisch, boshaft. Vorlage: medikant
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 140–141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_073.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)