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nicht anbeißen mochte – nein! er konnte den Gedanken nicht ausdenken, er wäre ja um Ehre und Reputation gekommen – denn auf seine Nachricht von dem alten Grafen hin hatte man sich nicht mehr geniert und von der Verbindung als von etwas, das sich von selbst verstünde, überall gesprochen.

Wie jetzt die Sachen standen, ging ihm das Wasser bis an die Kehle, und die fatale Querfrage der Gräfin, was schreibt sein Onkel, hätte ihn beinahe außer aller Kontenance gebracht. Doch er faßte sich und antwortete mit der heitersten Miene von der Welt:

„Der ist, wie ich schon oft gesagt habe, durchaus damit einverstanden, und diese Verbindung liegt ganz in seinen Wünsch–“

„Wie? ganz in seinen Wünschen, damit einverstanden – das sind nicht die Ausdrücke, die Sie mir früher sagten, erinnern Sie sich, Sie sagten mir, er schreibe, er seie von selbst auf den Gedanken gekommen, daß sein Neffe mich –“

Höllenangst, Höllenpein nagte in Sorbens Brust; nein! wenn er kompromittiert würde, doch da galt kein Besinnen mehr: „Vollkommen damit einverstanden, meine Gnädige, so vollkommen, sage ich, daß er selbst zuerst auf den glücklichen Gedanken kam.“

„Nun, was wollen wir weiter“, fuhr die Gräfin ruhig fort, „mein Gräfchen wird nicht ungehorsames Söhnchen spielen wollen, denn die drei Milliönchen, die er von dem Onkel erben soll, und die, wie Sie mir sagen, wegfallen, wenn er mich nicht –“

Sorben schnitt greuliche Gesichter; es war ihm, als sollten ihm die hellen Thränen hervorstürzen, daß er sich so dumm verplaudert hatte, und dennoch sollte er lächeln und freundlich sein; er grinste daher furchtbar wie einer, der Asa foetida[1] oder recht bitteres Salzkonfekt im Mund hat, und doch zuckerhonigsüß dabei aussehen will.



Das Unkraut wächst.

Der Rittmeister hatte bis jetzt noch kein Wort gesprochen; aber die Miene des alten Fuchses mochte ihm doch nicht so ganz [137] spaßhaft vorkommen, als sie aussehen sollte; „mir scheint es, als dürfe man die Sache nicht nur so gehen lassen, wie sie geht, und am Ende warten, ob der Graf gehorsam sein will oder nicht, denn hole mich der –, verzeihen Sie, gnädige Gräfin – wenn ich selbst drei Millionen hätte wie der Goldfisch, der jetzt in Freilingen vor Anker liegt, so thäte ich nach meinem Sinn, und nicht wie mein alter Oheim wollte.“

„Das heißt also“, rief die Gräfin pikiert, „Sie würden Ihrem Kopf folgen, auch zu den Füßen des Fräulein Ida liegen und die Gräfin Aarstein refüsieren?“

„Wie Sie nur so reden mögen“, antwortete der Rittmeister empfindlich, „Sie wissen ja selbst, wie ich mit Ida stehe; aber ich wollte damit sagen, daß der Graf Sie sehen muß; und hat er Sie nur erst einmal gesehen, nun, so stehe ich davor, daß er keine weitere Vergleichung anstellt, sondern zu Ihren Füßen liegt.“

Die Geschmeichelte schlug ihn mit der Eventaille[2]auf die Hand und meinte selbst, indem sie einen Blick in den deckenhohen Spiegel warf, daß dieser Rat vielleicht so übel nicht wäre, auch Sorben schien er das einzige Rettungsmittel in seiner peinlichen Lage; kommt die nur erst einmal hinter den Polen, dann sei ihm Gott gnädig; denn wenn die einen lieben und von einem geliebt sein will, dann kostet es vierundzwanzig Stunden, und er ist im Netz.

Sie hielten jetzt großen Kriegsrat. Die Nachrichten, die der Rittmeister von seinem Kameraden Schulderoff aus Freilingen erhalten und kaum zuvor der Gräfin mitgeteilt hatte, stimmten auf ein Haar mit dem überein, was Fräulein Sorben ihrem Onkel geschrieben hatte. Über den Thatbestand war also nicht der geringste Zweifel mehr. Aber wie dem Grafen beikommen? –

„Ist sie denn wirklich so hübsch?“ fragte Sorben, um die feindliche Stellung recht genau zu rekognoszieren.

„Hübsch?“ lachte die Gräfin bitter; „hübsch? nun, das müssen Sie ihren primo amoroso[WS 1], den Rittmeister, fragen; wenn durcheinander gefitztes Rabenhaar, ein Maul voll gesunder Zähne, ein


  1. Asa foetida, Stink-Asant oder Teufelsdreck genannt, ist ein Gummiharz von widerlichem Geschmack.
  2. Éventail (franz.), der Fächer.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ersten Liebhaber.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 136–137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_071.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)