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Ida mit fröhlichem Lachen sein Selbstgespräch, „und sehe Ihnen zu, wie Sie so gar nachdenklich sind, als wollten Sie die Quadratur des Zirkels ausklügeln; wo haben Sie nur Ihre Gedanken, gewiß saßen Sie schon auf irgend einem Landgut und sannen nach, wie lustig Sie sich dort die Tage vertreiben wollen?“

„Ach“, antwortete Emil, „so lustig wird es wohl dort nicht werden, wenn man so allein, so ganz allein auf der Erde ist.“

„Nun, das kömmt ja nur auf Sie an, Sie können sich die Einöde froh machen, können Freunde zu sich bitten –“

„Freunde?“ fragte Martiniz mit sonderbarem Ausdruck der Stimme; „es ist wohl etwas Gutes um Freunde, aber sie kommen und gehen, und das Herz verlangt nach etwas Bleibendem.“ – „Wer bedenkt“, antwortete Ida mit gerührtem Blick auf den jungen Mann, „wer bedenkt, wie viel Sie schon verloren haben, wird Sie um diese Ansicht nicht schelten; Sie haben recht, es ist nichts Bleibendes auf der Erde.“ So hatte aber der Graf auch wieder nicht gemeint. „Nein“, sagte er, „es hieße dem Leben seinen schönsten Reiz ablügen, wollte man dies so streng behaupten, etwas ist, was dem Mann in jedem Wechsel bleibt, Ihnen darf ich es sagen, was ich meine; Ihnen, die in dem ersten Augenblick dem Unglücklichen ihre zarte Teilnahme schenkte, die durch die zarten Bande der Gastfreundschaft mein Herz wieder für die edlen Freuden der Geselligkeit öffnete, die, wenn alle Menschen mich verkannten oder über mein Unglück spotteten, mir treue Teilnahme und reichen Trost gewährten, die mir aus gläubiger, frommer Freundschaft selbst in jene Schreckensstunde, die mich von den Menschen verbannte, nachfolgte, die den Fluch von mir nahm, der mich von Land zu Land rastlos fortscheuchte, dir, du reines, holdes, ewig heiteres Engelskind darf ich sagen, was mir fehlt, du hast mir ja immer geholfen, mir fehlt – sei du es mir – ein liebes Weib –“

Mit steigendem Erstaunen war Ida der Rede Emils gefolgt – ihr Auge hing an seinen Lippen, ihre Hand zitterte in der seinigen, denn sie meinte nicht anders, als ein neues, noch furchtbareres Geheimnis zu vernehmen. Mit einem Schrei der Überraschung, der Freude, der Verlegenheit, flog sie daher vom Stuhle [133] auf, als er endete. – „Herr Graf – Marti–“, stammelte sie in steigender Verlegenheit, ihr Gesicht brannte in den hohen Gluten bräutlicher Scham.

„Mein Mädchen, meine Ida“, flüsterte Martiniz und zog sie zu sich herab in seine Arme, er nannte sie mit den süßesten Schmeichelnamen, „o laß mir noch einen Glauben, noch eine Hoffnung, laß mir noch einen Trost, den deiner Liebe.“ – „Mein Emil!“ hauchte sie aus den süßen Lippen hervor – und der Graf preßte sie in stürmischem Entzücken an die Brust, wollte eben den ersten, heiligen Kuß reiner Lie–

Da schmetterten Posthörner die Straße herab, ein schwerer Reisewagen rasselte dröhnend über das Pflaster und hielt vor des Präsidenten Haus, aufgeschreckt wie ein Reh flog Ida aus des Grafen Armen und riß das Fenster auf – aber erbleichend trat sie zurück – „Mein Gott im Himmel!“ rief sie, „es ist die Gräfin Aarstein.“ – Die Saat des Bösen reift schnelle.



Das Unkraut im Weizen.

Die höllischen Latwerge[WS 1] und Rhabarbermüschen aus der Leumundsiederei Schulderoff und Komp. thaten ihre Wirkung vollkommen. Kaum hatte Onkel Sorben, eine jener Hofseelen, die durch Intrigen geboren, mit Intrigen großgezogen werden und sicher einmal in einer Intrige sterben, die sie gegen den Tod oder den Meister Urian anzetteln – Onkel Sorben hatte kaum den Brief seiner liebenswürdigen Posaunen-Seraphs-Nichte zu Gesicht bekommen, als er wie wütend nach seinem Stadtwagen schrie. War doch die Geschichte so geschickt, so fein eingefädelt gewesen, und Geschenke – vom Herrn eine Dose, vom Staatssekretär ein Staatssouper, von der Gräfin ein Paar Pferde und sonst noch was, was ein alter Kauz wie er nie verschmäht, und dies alles sollte ihm so ein naseweises Ding, die kaum hinter den Ohren trocken, wegliebäugeln.

Die Röte des Zornes lag noch auf seinem Gesicht, als er bei der Gräfin vorgelassen wurde; er traf sie allein, nur der Rittmeister Sporeneck, ihr täglicher Gesellschafter, war dort. Der letztere

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Eingekochtes Mus aus Zwetschgen oder Pflaumen, bisweilen auch aus Schlehen, Wacholder oder Hagebutten.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 132–133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_069.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)