Seite:De Wilhelm Hauff Bd 3 008.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Abschrecken war das allerliebste Mondkälbchen gar nicht geeignet. Es konnte daher auf keine Weise für den Zweck vorgearbeitet haben, welchen der Kontrovers-Prediger ex post proklamierte … Was bleibt dann übrig für die ‚Kontrovers-Predigt‘? – Die Ansicht: es ist eine Parteischrift, eine Apologie des Mondmannes und seiner bibliopolischen Existenz … Es bleibt aber doch immer ein harter Stand für Clauren. Die Gründe jenes Predigers in der Wüste sind so folgerecht, so schlagend, so wahr und Zeugen eines zwar sehr aufgeregten, aber doch gültigen Gefühls, so daß man sich unwillkürlich fortgerissen sieht, ist man nur über die ersten Vordersätze hinweg. Aber hier liegt es – hier finden sich Übertreibungen, die den Parteimann bezeichnen, hier finden sich Lücken, die das Urteil verlocken, hier wird es erkannt, daß Claurens Todesurteil sub- et obreptitie[1] erschlichen ist.“ Im folgenden wird nun Claurens Talent und Manier treffend charakterisiert, dann fährt Riedmann fort: „Das eben ist es ja, daß Claurens eifrigste Leserinnen sich selbst ganz heimlich bekennen müssen: Er hat recht, er hat unsere geheimsten Gefühle erraten, aber wir dürfen es nur nicht sagen, nicht laut werden lassen. – Ist diese Richtung fehlerhaft, so ist sie doch sehr menschlich. Mach’ Engel aus den Menschen, du Sittenprediger, und du wirst jetzt weder in Claurens noch in einer anderen Manier viele Leser finden …“

In Nr. 113 der „Blätter für litterarische Unterhaltung“ vom 15. Mai 1827 schreibt ein mit Hauff ziemlich gleichgesinnter Mitarbeiter über die „Kontrovers-Predigt“:

„Obgleich wir an diesem Schriftchen zweierlei auszustellen haben, nämlich einmal seine Form, die leicht für eine Profanation gehalten werden kann, und zweitens den Eifer, mit dem es einen Feind angreift, der in diesem Augenblick an seinem eignen Gift im Verscheiden liegt, und bei dem es kaum der Mühe verlohnt, seiner kurzen Laufbahn durch den Gnadenstoß ein[WS 1] Ende zu machen, so entwickeln diese Blätter doch die völlige Nullität, die widrige und verkehrte Form, die gehässige und jedes Anathems würdige Tendenz und die verderbliche und abscheuliche Wirkung der Claurenschen Geisteswerke so klar und anschaulich, daß wir, um dieses löblichen Zweckes willen, das Verfehlte in der Form dieser Schrift gern übersehen …“

[11]


Erster Teil.




Der Ball.

Über Freilingen lag eine kalte, stürmische Novembernacht; der Wind rumorte durch die Straßen, als seie er allein hier Herr und Meister, und eine löbliche Polizeiinspektion habe nichts über den Straßenlärm zu sagen. Dicke Tropfen schlugen an die Jalousien und mahnten die Freilinger, hinter den warmen Ofen sich zu setzen während des Höllenwetters, das draußen umzog. Nichtsdestoweniger war es sehr lebhaft auf den Straßen; Wagen von allen Ecken und Enden der Stadt rollten dem Marktplatz zu, auf welchem das Museum, von oben bis unten erleuchtet, sich ausdehnte.

Es war Ball dort, als am Namensfest des Königs, das die Freilinger, wie sie sagten, aus purer Gewissenhaftigkeit nie ungefeiert vorbeiließen. Morgens waren die Milizen ausgerückt, hatten prächtige Kirchenparade gehalten und kümmerten sich in ihrem Patriotismus wenig darum, daß die Dragoner, welche als Garnison hier lagen, sie laut genug bekrittelten. Mittags war herrliches Diner gewesen, an welchem jedoch nur die Herren Anteil genommen und so lange getrunken und getollt hatten, daß sie kaum mehr mit dem Umkleiden zum Ball fertig geworden waren.

Auf Schlag sieben Uhr aber war der Ball bestellt, dem die Freilinger Schönen und Nichtschönen schon seit sechs Wochen entgegengeseufzt hatten. Schön konnte er diesmal werden, dieser Ball; hatte ihn doch Hofrat Berner arrangiert, und das mußte man ihm lassen, so viele Eigenheiten er sonst auch haben mochte, einen guten Ball zu veranstalten verstand er aus dem Fundament.


  1. D. h. durch Diebstahl und Kniffe.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eine
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 10–11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_008.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)