Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 212.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„ein alter Junggeselle von fünfundvierzig, und spielt noch den ersten Liebhaber. Eitel, thöricht, glaubt, jede Dame, die er aus seinen kleinen Äuglein anblinzelt, ist in ihn verliebt, drängt sich überall an und ein –“

„Nun, da spielt dieser Graf Rebs eine lächerliche Rolle in der Gesellschaft, da wird er wohl überall verhöhnt und abgewiesen?“

„Ja, wenn die Damen dächten wie Sie, wertgeschätzter Herr! Aber so lächerlich dieser Gnome ist, so thöricht er sich überall gebärdet, so – oh Rebekka! Der Teufel hat die Weiberherzen gemacht.“

„Ei, ei!“ sagte ich, indem ich schnell Nro. 45 aufschloß und den Verzweifelnden hineinschob, „ei! lieber Herr Zwerner, wer wird so arge Beschuldigungen ausstoßen. Und auf Fräulein Rebekka, setzen Sie sich doch gefälligst aufs Sofa, auf das Fräulein sollte er auch Eindruck gemacht haben, dieser Gliedermann?“

„Ach, nicht er, nicht er; sie sieht, daß er lächerlich ist und geckenhaft, und doch kokettiert sie mit ihm; nicht mit ihm, sondern mit seinem Titel. Es schmeichelt ihr, einen Grafen in ihrer Loge zu sehen, oder auf der Promenade von ihm begrüßt zu werden, vielleicht wenn sie eine Christin wäre, hätte sie einen solidern Geschmack.“

„Wie, das Fräulein ist eine Jüdin?“

„Ja, es ist ein Judenfräulein; ihr Vater ist der reiche Simon in der neuen Judenstraße; das große gelbe Haus neben dem Herrn von Rothschild und eine Million hat er, das ist ausgemacht.“

„Sie haben einen soliden Geschmack; und wie ich aus dem Gespräch des Grafen bemerkt habe, können Sie sich einige Hoffnung machen?“

„Ja“, erwiderte er ärgerlich, „wenn nicht der Satan das Papierwesen erfunden hätte. So stehe ich immer zwischen Thüre und Angel. Glaube ich heute einen festen Preis, ein sicheres Vermögen zu haben, um vor Herrn Simon treten und sagen zu können: Herr! wir wollen ein kleines Geschäft machen miteinander, ich bin das Haus Zwerner und Komp. aus Dessau, stehe so und so, wollen Sie mir Ihre Tochter geben? Glaube ich nun so sprechen zu können, so läßt auf einmal der Teufel die Metalliques [421] um zwei, drei Prozent steigen, ich verliere, und meinem Schwiegerpapa, der daran gewinnt, steigt der Kamm um so viele Prozente höher, und an eine Verbindung ist dann nicht mehr zu denken.“

„Aber kann denn nicht der Fall eintreten, daß Sie gewinnen?“

„Ja, und dann bin ich so schlecht beraten wie zuvor. Herr Simon ist von der Gegenpartei. Gewinne ich nun durch das Sinken dieser oder jener Papiere, so verliert er ebensoviel, und dann ist nichts mit ihm anzufangen, denn er ist ein ausgemachter Narr und reif für das Tollhaus, wenn er verliert. Ach, und aus Rebekkchen, so gut sie sonst ist, guckt auf allen Seiten der jüdische Geldteufel heraus.“

„Wie, sollte es möglich sein, eine junge Dame sollte so sehr nach Geld sehen?“

„Da kennen Sie die Mädchen, wie sie heutzutage sind, schlecht“, erwiderte er seufzend. „Titel oder Geld, Geld oder Titel, das ist es, was sie wollen. Können sie sich durch einen Lieutenant zur ‚Gnädigen Frau‘ machen lassen, so ist er ihnen eben recht, hat ein Mann wie ich Geld, so wiegt dies den Adel zur Not auf, weil derselbe gewöhnlich keines hat.“

„Nun, ich denke aber, das Haus Zwerner und Komp. in Dessau hat Geld, woher also Ihr Zweifel an der Liebe des Fräuleins?“

„Ja, ja!“ sagte er etwas freundlicher, „wir haben Geld, und so viel, um immer mit Anstand um eine Tochter des Herrn Simon zu freien; aber Sie kennen die Frankfurter Mädchen nicht, werter Herr! Ist von einem angenehmen, liebenswürdigen jungen Mann die Rede, so fragen sie, ‚Wie steht er?‘ Steht er nun nicht nach allen Börsenregeln solid, so ist er in ihren Augen ein Subjekt, an das man nicht denken muß.“

„Und Rebekka denkt auch so?“

„Wie soll sie andere Empfindungen kennen lernen in der neuen Judenstraße? Ach! Ihre Neigung zu mir wechselt nach dem Kurs der Börsenhalle! Man weiß hier, daß ich mich verführen ließ, viele Metalliques und preußische Staatsschuldscheine zu kaufen. Mein Interesse geht mit dem der hohen Mächte und

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 420–421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_212.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)