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Ihr nicht, daß zur Ehre Gottes ein General der Ketzer sich taufen läßt und ein guter Christ wird, wie ich und Ihr?“

Wer der berühmte Täufling war, werden die Leser meiner Memoiren leicht erraten. Endlich, endlich war er abgefallen! Sie hatten ihn wohl nach der Szene in Signoras Garten so lange und heftig mit Vorwürfen, Bitten, Drohungen, Versprechungen und Thränen bestürmt, daß er einwilligte, besonders da er durch den Übertritt nicht nur Absolution für seine Seele, was ihm übrigens wenig helfen wird, sondern auch Schutz für die Justiz bekam, die ihm schon nachzuspüren anfing, da der Berliner einige Tage zwischen Leben und Tod schwebte und sein Gesandter auf strenge Ahndung des Mordes angetragen hatte.

Ich stellte mich auf dem Platze so, daß der Zug mit dem Täufling an mir vorüberkommen mußte. Und sie nahten! Ein langer Zug von Mönchen, Priestern, Nonnen, andächtigen Männern und Frauen kam heran, ihre halblaut gesprochenen Gebete rollten wie Orgelton durch die Lüfte. Sie zogen im Kreis um den ungeheuren Platz, und jetzt wurden die Römer um mich her aufmerksamer. „Ecco, ecco lo“[1], flüsterte es von allen Seiten; ich sah hin – in einem grauen Gewand, das Haupt mit Asche bestreut, ein Kruzifix in den gefalteten Händen, nahte mit unsicheren Schritten der Kapitän. Zwei Bischöfe in ihren violetten Talaren gingen vor ihm, und Chorknaben aller Art und Größe folgten seinen Schritten.

„Ein schöner Ketzer, bei St. Peter! Ein schmucker Mann!“ hörte ich die Weiber um mich her sagen. „Welch ein frommer Soldat!“

„Wie freut man sich, wenn man sieht, wie dem Teufel eine Seele entrissen wird!“

„Werden sie ihn vorher taufen oder nachher?“

„Vorher“ antwortete ein schönes, schwarzlockiges Mädchen, „vorher, denn nachher verflucht der heilige Vater alle Ketzer, und da würde er ihn ja auf ewig verdammen und nachher segnen und taufen.“

[405] „Ach, das verstehst du nicht“, sagte ihr Vater, „der Papst kann alles, was er will, so oder so.“

„Nein, er kann nicht alles“, erwiderte sie schelmisch lächelnd; „nicht alles!“

„Was kann er denn nicht?“ fragten die Umstehenden. „Er kann alles; was sollte er denn nicht können?“

„Er kann nicht heiraten!“ lachte sie; doch nicht so schnell folgt der Donner dem Blitz, als die schwere Hand des Vaters auf ihre Wange fiel.

„Was? Du versündigst dich, Mädchen“, schrie er; „welche unheiligen Gedanken gibt dir der Teufel ein? Was geht es dich an, ob der Papst heiratet oder nicht? Dich nimmt er auf keinen Fall.“

Das Volk begann indes in die Peterskirche zu strömen, und auch ich folgte dorthin. Es ist eine lächerlich materielle Idee, wenn die Menschen sich vorstellen, ich könne in keine christliche Kirche kommen. So schreiben viele Leute C. M. B. (Casper, Melchior, Balthasar) über ihre Thüren und glauben, die drei Könige aus Morgenland werden sich bemühen, ihre schlechte Hütte gegen die Hexen zu schützen.

Ich drängte mich soweit als möglich vor, um die Zeremonien dieser Taufe recht zu sehen. Der tapfere Kapitän hatte jetzt sein graues Gewand mit einem glänzend weißen vertauscht und kniete unweit des Hochaltars. Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe standen umher, der ungewisse Schein des Tages, vermischt mit dem Flackern der Lichter der Kerzen, welche die Chorknaben hielten, umgab sie mit einem ehrwürdigen Heiligenschein, der jedoch bei manchem wie Scheinheiligkeit aussah. Auf der andern Seite kniete unter vielen schönen Frauen Donna Ines mit ihren Kindern. Sie war lockender und reizender als je, und wer Luisen und ihr sanftes blaues Auge nicht gesehen hatte, konnte dem Täufling verzeihen, daß er sich durch dieses schöne Weib und einen listigen Priester unter den Pantoffel Sankt Petri bringen ließ.

Neben mir stand eine schwarzverschleierte Dame. Sie stützte sich mit einer Hand an eine Säule, und ich glaube, sie wäre ohne diese Hülfe auf den Marmorboden gesunken, denn sie zitterte beinahe


  1. Ital. = dort, dort ist er!
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 404–405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)