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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Schändlich!“ hub Ines an, „so muß ich dich treffen! Bei deiner deutschen Buhlerin verweilst du, und vergißt, was du deinem Weibe schuldig bist? Ehrvergessener! Statt meine Ehre, die du mir gestohlen, durch Treue zu ersetzen, statt mich zu entschädigen für so großen Jammer, dem ich mich um deinetwillen ausgesetzt habe, schwelgst du in den Armen einer andern?“

„Folget uns, Kapitän West!“ sagte der Kardinal sehr strenge; „es ist Euch nicht erlaubt, noch einen Augenblick hier zu verweilen. Die Barke wartet. Gebt der Donna Euren Arm und verlasset diese ketzerische Gesellschaft.“

„Du bleibst!“ rief Luise, indem sie ihre schönen Finger um seinen Arm schlang und sich gefaßt und stolz aufrichtete; „schicke diese Leute fort. Du hast ja noch soeben diese Abenteuerin verschworen. Du zauderst? Monsignor, ich weiß nicht, wer Ihnen das Recht gibt, in diesen Garten zu dringen; haben Sie die Güte, sich mit dieser Dame zu entfernen.“

„Wer mir das Recht gibt, junge Ketzerin?“ entgegnete Rocco, „Diese ehrwürdige Frau Campoco; ich denke, ihr gehört der Garten, und es wird Sie nicht belästigen, wenn wir hier verweilen.“

„Ich bitte um Euren Segen, Eminenz“, sagte, sich tief verneigend, Signora Campoco; „wie möget Ihr doch so sprechen? Meinem geringen Garten ist heute Heil widerfahren, denn heilige Gebeine wandeln darin umher!“

„Nicht gezaudert, Kapitän!“ rief der Kardinal; „werfet den Satan zurück, der Euch wieder in den Klauen hat; folget uns, wohin die Pflicht Euch ruft. – Ha! Ihr zaudert noch immer, Verräter? soll ich“, fuhr er mit höhnischem Lächeln fort: „soll ich Euch etwa dies Papier vorzeigen? Kennet Ihr diese Unterschrift? Wie steht es mit den fünftausend Scudi, verehrter Herr? Soll ich Euch durch die Wache abholen lassen?“

„Fünftausend Scudi?“ unterbrach ihn der Berliner, „ich leiste Bürgschaft, Herr Kardinal, sichere Bürgschaft.“

„Mit nichten!“ antwortete er mit großer Ruhe, „Ihr seid ein Ketzer; haeretico non servanda fides; Ihr könntet leicht ebenso denken und mit der Bürgschaft in die Weite gehen. Nein, – Piccolo! Sende einen der Schiffer in die Stadt; man solle die Wache holen.“

[401] „Um Gotteswillen, Otto! Was ist das?“ rief Luise, indem ihr Thränen entstürzten. „Du wirst dich doch nicht diesen Menschen so ganz übergeben haben? O Herr! nur eine Stunde gestattet Aufschub, mein ganzes Vermögen soll Euer sein; mehr, viel mehr will ich Euch geben, als Ihr fordert –“

„Meinst du, schlechtes Geschöpf!“ fiel ihr die Spanierin in die Rede, „meinst du, es handle sich hier um Gold? Mir, mir hat er seine Seele verpfändet; er hat mich gelockt aus den Thälern meiner Heimat, er hat mir ein langes seliges Leben in seinen Armen vorgespiegelt, er hat mich betrogen um diese Seligkeit; du – du hast mich betrogen, deutsche Dirne, aber sehe zu, wie du es einst vor den Heiligen verantworten kannst, daß du dem Weib den Gatten raubst, den Kindern, den armen Würmern, den Vater!“

„Ja, das ist dein Fluch, alter Vater!“ sagte Luise, von tiefer Wehmut bewegt; „das ist dein Fluch, wenn ich je die Seine würde; er nahte schnell! Ich hätte dir ihn entrissen, unglückliches Weib? Nein, so tief möchte ich nicht einmal dich verachten. Er kannte mich längst, ehe er dich nur sah, und die Treue, die er dir schwur, hat er mir gebrochen!“

„Von dieser Sünde werden wir ihn absolvieren“, sprach der Kardinal; „sie ist um so weniger drückend für ihn, als Ihr selbst, Signora, mit einem anderen, der hier neben sitzt, in Verhältnissen waret. Zaudere nicht mehr, folge uns; bei den Gebeinen aller Heiligen, wenn du jetzt nicht folgst, wirst du sehen, was es heiße, den heiligen Vater zu verhöhnen!“

Der Kapitän war ein miserabler Sünder. So wenig Kraft, so wenig Entschluß! Ich hätte ihn in den Fluß werfen mögen; doch es mußte zu einem Resultate kommen, drum schob ich schnell ein paar Worte ein: „Wie? Was ist dies für ein Geschrei von Kindern“, rief ich erstaunt; „es wird doch kein Unglück in der Nähe geben?“

„Ha! meine Kinder“, weinte die Spanierin, „o, weinet nur, ihr armen Kleinen; der, der Euch Vater sein sollte, hat Erz in seiner Brust. Ich gehe, ich werfe sie in die Tiber und mich mit ihnen; so ende ich ein Leben, das du, Verfluchter, vergiftetest!“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 400–401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_202.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)