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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

zu einem eigentümlichen Feuer gesteigert, sie sprechen mit Umsicht von sich selbst, doch eben weil diese ihnen sonst abging, ist man versucht, zu glauben, sie sprechen von einem Dritten.

Es war Luise, die ihn zuerst liebte; er erkannte ihre Neigung; Eitelkeit, die herrliche aufblühende Schönheit, die Tochter eines der ersten Häuser der Stadt für sich gewonnen zu haben, riß ihn zu einem Gefühl hin, das er für Liebe hielt. Der Vater sah dies Verhältnis ungerne. Ich konnte mir denken, daß es vielleicht weniger Stolz auf seine Ahnen als die Furcht vor dem schwankenden Charakter des Kapitäns war, was ihn zu einer Härte stimmte, die die Liebe eines Mädchens wie Luise immer mehr anfachen mußte. Er soll ihr, was ich jetzt erst erfuhr, auf seinem Sterbebette den Fluch gegeben haben, wenn sie je mit dem Kapitän sich verbinde.

West suchte die Geschichte mit der Frau des Engländers auf Verführung zu schieben. Ich habe eine solche bei einem Mann, der das Bild der Geliebten fest im Herzen trägt, nie für möglich gehalten. Doch die Strafe ereilte ihn bald. Er gestand mir, daß er froh gewesen sei, als er, vielleicht durch die Vermittlung des Engländers, von seinem Posten zurückberufen wurde. Donna Ines habe ihm allerlei sonderbare Vorschläge zur Flucht gemacht, in die er nicht eingehen können; er sei, ohne Abschied von ihr zu nehmen, abgereist. Was ihn eigentlich bestimmte, nach Rom zu gehen, sah ich nicht recht ein, und er suchte auch über diesen Punkt so schnell als möglich hinwegzukommen. Er erzählte ferner, wie er durch Luisens Ankunft erfreut worden sei, wie er sich vorgenommen, nur ihr, ihr allein zu leben. Doch da sei plötzlich Donna Ines in Rom erschienen, sie habe sich mit zwei Kindern geflüchtet, sei ihm nachgereist und habe jetzt verlangt, er solle sie heiraten.

Es entging mir nicht, daß der Kapitän mich hier belog. Ich hatte von dem Gesandten bestimmt erfahren, daß jener schon in Paris angehalten und über die Flucht der Donna zur Rede gestellt worden sei; er konnte sich also denken, daß sie ihm nachreisen werde, und dennoch knüpfte er die Liebe zu Luisen von neuem an. Ferner, wie hätte es Ines wagen können, ihm zu folgen, wenn [379] er ihr nicht versprochen hätte, sie zu heiraten, wenn er sie nicht durch tausend Vorspiegelungen aus ihrem ruhigen Leben herausgelockt und zur Abenteurerin gemacht hätte?

Er schilderte mir nun ein Gewebe von unglücklichen Verhältnissen, in welche ihn diese Frau, die mit allen Kardinälen, namentlich mit Pater Rocco, schnell bekannt geworden, geführt habe. Es wurde ernstlich an der Auflösung ihrer früheren Ehe gearbeitet, und es war als bekannt angenommen worden, daß er die Geschiedene heiraten werde.

‚Sie sagten mir hier nichts Neues‘, antwortete ich ihm; ‚dies alles beinahe wußte ich vorher. Aber ich hoffe, daß Sie als Mann von Ehre einsehen werden, daß das Verhältnis zu Fräulein von Palden nicht fortdauern kann, oder Sie müssen sich von der Spanierin lossagen.‘

Das letztere könne er nicht, sagte er, er habe von ihr und dem Kardinal Rocco Vorschüsse empfangen, die sein Vermögen übersteigen, er könne also wenigstens im Augenblick keinen entscheidenden Schritt thun.

‚Im Augenblick heißt hier nie‘, erwiderte ich ihm. ‚Sie werden sich aus diesen Banden, wenn sie so beschaffen sind, nie mit Anstand losmachen können. Ich halte es also für Ihre heiligste Pflicht, Luisen nicht noch unglücklicher zu machen; denn was kann endlich das Ziel Ihrer Bestrebungen sein?‘

Er errötete und meinte, ich halte ihn für schlechter, als er sei. Doch er fühle selbst, daß man einen Schritt thun müsse. Er glaube aber, es sei dies meine Sache. Er trete mir Luisen ab, ich solle mir auf jede Art ihre Gunst zu erwerben suchen und sie glücklich machen. Er hatte Thränen in den Augen, als er dies sagte, und ich sah mit beinahe zu mitleidigen Augen, wieweit ein Mensch durch Leichtsinn kommen könne.

Ich ging, um nichts weiser geworden, ohne daß ein wirklicher Entschluß gefaßt worden war, von dem Kapitän; mein Gefühl war eine Mischung von Verachtung und Bedauern. Auf der Treppe begegnete mir wieder der schöne Knabe und fragte, ob er wohl jetzt zu Papa kommen dürfte.“

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 378–379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_191.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)