Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 181.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

mit dem Treiben dieser Menschen bekannt mache. Doch jetzt noch einiges zum Verständnis meines Abenteuers. Die Geschichte mit – – – – war bald abgethan. Er schickte einen Franzosen zu mir, der mir erklärte, daß jener sich in mir geirrt habe und um Verzeihung bitte. Durch ihn erfuhr ich auch, daß Luisens Geliebter früher Offizier und zwar in …schen Diensten gewesen sei.

Um diese Zeit kam die Schwester des sächsischen Gesandten nach Rom, sich einige Zeit mit ihrer Familie bei ihrem Bruder aufzuhalten. Ich war am ersten Abend ihres Aufenthalts zufällig zugegen, und – stellen Sie sich einmal mein Erstaunen vor, als ich hörte, wie sie eine andere Dame fragte, ob nicht ein Fräulein von Palden hier lebe? Ich wandte mich unwillkürlich ab, um nicht dem ganzen Kreise mein Erröten, mein Entzücken zu zeigen; es war mir etwas so Neues, so Schönes, Luisens Namen aus einem fremden Munde zu hören. Jedoch keine der anwesenden Damen wollte von ihr wissen, und ich fühlte mich nicht berufen, unaufgefordert mein Geheimnis mitzuteilen.

Deutsche, besonders Frauen, pflegen immer großen Anteil an Landsleuten zu nehmen; es konnte daher nicht anders sein, als daß man seine Verwunderung laut darüber aussprach, daß ein deutsches Fräulein in Rom lebe, die auch keinem von allen bekannt sein sollte? ‚Wer ist sie? Ist sie schön? Wie kommt sie nach Rom?‘ fragte man einstimmig, und wie lauschte ich, wie pochte mein Herz, endlich über das interessante Wesen etwas zu hören.

Sie erzählte, wie sie in …th Luisen kennengelernt, die damals durch ihr schönes Äußere, durch ihre Liebenswürdigkeit, ihren Verstand die ganze Stadt beschäftigt, ihre näheren Bekannten bezaubert habe. Um so auffallender sei auf einmal ein Liebeshandel gewesen, der sich zwischen einem Offizier, einem bürgerlichen Subjekt, und der Tochter des Geheimen Rats Palden entspann. Dieser Mensch habe außer seiner schönen Figur und einem blühenden Gesicht keine Vorzüge, nicht einmal gute Sitten gehabt. Dem Vater sei diese Geschichte zu ernstlich geworden, er habe den Offizier zu einem Regiment zu versetzen gewußt, das mit einem Teil der französischen Armee nach Spanien bestimmt [359] war. Man habe sich in …th allgemein gefreut über die Art, wie sich Fräulein Palden in diese Wendung fügte; doch bald erfuhr man, daß die Verbindung mit dem Offizier nichts weniger als abgebrochen sei, sondern durch Armeekuriere und dergleichen Briefe gewechselt werden. Es vergingen so beinahe zwei Jahre. Die Armee kehrte zurück, doch nicht mit ihr jener Offizier. Man sagte in Gesellschaften und in Luisens Nähe, er sei wegen einer Ehrensache aus dem Dienst getreten. Seine Kameraden schwiegen hartnäckig hierüber, doch gab es einige Stimmen im Publikum, die von einer vorteilhaften Heirat, andere, die von einer Entführung oder von beiden sprachen, kurz, man bemerkte, daß Herr v. …, so hieß der Offizier, seiner Dame ungetreu geworden sei. Um diese Zeit starb der alte Herr von Palden. Seine erste Frau war eine Römerin, das Fräulein entschloß sich auf einmal, zu großer Verwunderung der Stadt …th, zu ihren Verwandten nach Rom zu ziehen.

So viel wußte die Schwester des Gesandten von Luisen. Es war mir genug, um ihr Verhältnis zu … ganz in der Ordnung zu finden, nur war es mir unbegreiflich, was ihn bewogen haben könnte, nach Rom zu gehen? Oder kam er erst nach ihr hieher? Und warum heiraten sie sich nicht, da doch ihre Hand jetzt frei und von niemand abhängig ist?

Ich quälte mich mit diesen Gedanken. Ich hätte so gerne mehr und immer mehr von dem holden Kind erfahren; ich fühlte lebhaft den Wunsch, sie wiederzusehen, zu sprechen; ich wollte ja nicht geliebt werden, nur sehen, nur lieben wollte ich sie. Da fiel mir bei, wie ich dies so leicht möglich machen könnte. Ich durfte ja nur der Schwester des Gesandten sagen, wo sich Luise aufhalte, und dann konnte ich gewiß sein, sie schon in den nächsten Tagen im Hotel des Gesandten zu sehen. Ich that dies, und mein Wunsch wurde erfüllt.“

Ein Bekannter des Herrn von S. gesellte sich hier zu uns und unterbrach zu meinem großen Ärger die Erzählung. Ich machte noch einige Gänge mit ihnen unter den Arkaden; als ich aber sah, daß der Bekannte sich nicht entfernen wolle, fragte ich den Berliner nach seiner Wohnung und ging mit dem Vorsatz,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 358–359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_181.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)