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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

von Gott halten, mögen sie nun Ablaß verkaufen, oder als evangelisch-mystisch-pietistische Seelen einen Seperatfrieden mit dem Himmel abschließen; der letzteren gibt es übrigens in Rom wenige.

Es läßt sich annehmen, daß das Innere dieses Systems, die verschiedenen Übergänge der Klassen beinahe mit jedem Jahr sich ändern. Geld, Sitten, der Zeitgeist üben hier einen großen Einfluß aus, und machen beinahe alle zwei Jahre eine Reise an Ort und Stelle notwendig.

Als ich vor einiger Zeit auf einer solchen Visitationsreise in Rom verweilte, war ich Zeuge folgender Szenen, die ich aufzuzeichnen nicht unterlassen will, weil sie vielleicht für manchen Leser meiner Memoiren von Interesse sein möchten.

Ich ging eines Morgens unter den Säulengängen der Peterskirche spazieren, dachte nach über mein System und die Veränderungen, die ihm durch die Missionäre in Frankreich und das Überhandnehmen der Jesuiten drohte, da stieß mir ein Gesicht auf, das schon in irgend einer interessanten Beziehung zu mir gestanden sein mußte. Ich stand stille, ich betrachtete ihn von der Seite. Es war ein schlanker, schöner junger Mann; seine Züge trugen die Spuren von stillem Gram; dem Auge, der Form des Gesichtes nach war er kein Italiener – ein Deutscher, und jetzt fiel mir mit einem Male bei, daß ich ihn vor wenigen Monaten in Berlin, im Salon jener Dame gesehen hatte, die mir und dem ewigen Juden einen ästhetischen Thee zu trinken gegeben hatte. Es war jener junge Mann, dessen anziehende Unterhaltung, dessen angenehme Persönlichkeit mir damals ein so großes Interesse eingeflößt hatten. Er war es, der uns damals eine Aventüre aus seinem Leben erzählt hatte, die ich für würdig fand, bei der Beschreibung jenes Abends mit aufzuzeichnen.

Ob ihn wohl die Liebe zu jener jungen Dame noch einmal in die heilige Stadt gezogen hatte? Ob ihm, wie mir, der düstere Himmel seines Landes und die süße Langeweile der ästhetischen Thees im Hause seiner Tante so drückend wurde, daß er sich unter eine südlichere Zone flüchtete? Ich beschloß, seine Bekanntschaft zu erneuen, um über jenes interessante Begegnis, dessen Erzählung der Jude unterbrochen, um über ihn selbst, über seine Schicksale, [345] etwas Näheres zu vernehmen. Er stand an einer Säule des Portals, den Blick fest auf die Thüre gerichtet; fromme Seelen, schöne Frauen, junge Mädchen strömten aus und ein, ich sah, er blieb gleichgültig, wenigstens schien ihn keine dieser Gestalten zu interessieren. Endlich erscheint ein kleiner Florentiner Strohhut in der Thüre; war es die Form dieses Hutes, waren es die weißen wallenden Federn, war es die einfache Rose, aus welcher dieser Busch hervorwallte, was dem jungen Mann so reizend, so bekannt dünkte? Noch konnte man weder Gestalt noch Gesicht der Dame sehen, aber seine Augen glänzten, ein Lächeln der erfüllten Hoffnung flog um seinen Mund, seine Wangen röteten sich, er richtete sich höher auf und schaute unverwandt den Säulengang hin. Noch verdeckten zwei Pfaffen mit ihren Kapuzen die Nahende, jetzt bogen sie rechts ein, und ich sah ein holdes, süßes Wesen heranschweben.

Wer, wie ich, erhaben über jede Leidenschaft, die den Sterblichen auf der Erde quält, die Dinge betrachtet wie sie sind, nicht wie sie euch Liebe oder Haß, oder eure tausend befangenen Vorurteile schildern, dem ist eine solche seltene Erscheinung ein Fest, denn es ist etwas Neues, Originelles. Ich gedachte unwillkürlich jener Worte des jungen Mannes, wie er uns den Eindruck beschrieb, den der Anblick jener Dame zum erstenmal auf ihn machte, mit welchem Entzücken er uns ihr Auge beschrieb; – ich war keinen Augenblick im Zweifel, daß diese liebliche Erscheinung, die auf uns zukam, und jene rätselhafte Dame eine und dieselbe sei.

Ein glühendes Rot hatte die Züge des Jünglings übergossen. Er hatte den Hut gezogen, es war, als schwebte ihm ein Morgengruß, oder eine freundliche Rede auf den Lippen, und überrascht von der stillen Größe des Mädchens sei er verstummt. Auch sie errötete, sie schlug die Augen auf, als er sich verbeugte, sie warf einen fragenden Blick auf ihn, hielt einen kurzen Moment ihre Schritte an, als erwarte sie, von ihm angeredet zu werden; er schwieg, sie eilte bewegt weiter.

Der junge Mann sah ihr mit trüben Blicken nach, dann folgte er langsamen Schrittes; oft blieb er, wie in Gedanken verloren, stehen. Ich ging ihm einige Straßen nach, er trat endlich in ein

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 344–345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_174.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)