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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

lag noch auf seiner Wange, zuweilen schlich ein beifälliges Lächeln um seinen Mund, er schien höchst zufrieden mit dem Besuch.

Auf unserem Zimmer angekommen, warf er sich heroisch auf einen Stuhl und ließ zwei Flaschen Champagner auftragen. Der Kork fuhr mit einem Freudenschuß an die Decke, der Amerikaner füllte zwei Gläser, bot mir das eine und stieß an auf das Wohlsein jenes großen Dichters.

„Ist es nicht etwas Erfreuliches“, sagte er, „zu finden, so hocherhabene Männer seien wie unsereiner? War mir doch angst und bange vor einem Genie, das dreißig Bände geschrieben; ich darf gestehen, bei dem Sturm, der uns auf offener See erfaßte, war mir nicht so bange, und wie herablassend war er, wie vernünftig hat er mit uns diskuriert, welche Freude hatte er an mir, wie ich aus dem neuen Lande kam!“ Er schenkte sich dabei fleißig ein und trank auf seine und des Dichters Gesundheit, und von der erlebten Gnade und vom Schaumwein benebelt, sank er endlich mit dem Entschluß, Amerikas Goethe zu werden, dem Schlaf in die Arme.

Ich aber setzte mich zu dem Rest der Bouteillen. Dieser Wein ist von allen Getränken der Erde der, welcher mir am meisten behagt, sein leichter, flüchtiger Geist, der so wenig irdische Schwere mit sich führt, macht ihn würdig, von Geistern, wenn sie in menschlichen Körpern die Erde besuchen, gekostet zu werden.

Ich mußte lächeln, wenn ich auf den seligen Schläfer blickte; wie leicht ist es doch für einen großen Menschen, die andern Menschen glücklich zu machen; er darf sich nur stellen, als wären sie ihm so ziemlich gleich, und sie kommen beinahe vom Verstand.

Dies war mein Besuch bei Goethe, und wahrhaftig, ich bereute nicht, bei ihm gewesen zu sein, denn:

„Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen,
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.“





IV.
Der Festtag im Fegefeuer.
Eine Skizze.


 „Das größte Glück der Geschichtschreiber ist, daß die
 Toten nicht gegen ihre Ansichten protestieren können.“
 Welt und Zeit, I.[1]


Achtzehntes Kapitel.
Beschreibung des Festes. Satan lernt drei merkwürdige Subjekte kennen.

Ich teile hier einen Abschnitt aus meinen Memoiren mit, welcher zwar nicht mich selbst betrifft, den ich mir aber aufzeichnete, weil er mir sehr interessant war und vielleicht auch anderen nicht ohne einiges Interesse sein möchte. Er führt die Aufschrift „Der Festtag im Fegefeuer“ und kam durch folgende Veranlassung zu diesem Titel. Es ist auf der Erde bei allen großen Herren und Potentaten Sitte, ihre Freude und ihre Trauer recht laut und deutlich zu begehen. Wenn ein aus fürstlichem Blute stammender Leib dem Staube wiedergegeben wird, haben die Küster im Land schwere Arbeit, denn man läutet viele Tage lang alle Glocken. Wird eine Prinzeß oder gar ein Stammhalter geboren, so verkündet schrecklicher Kanonendonner diese Nachricht. Landesväterliche oder landesmütterliche Geburtstäge werden mit allem möglichen Glanz begangen; die Bürgermilizen rücken aus, die Honoratioren halten einen Schmaus, abends ist Ball oder doch wenigstens in den Landstädtchen bière dansante; kurz, alles lebt in dulci jubilo an solchen Tagen.


  1. Vgl. S. 248.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 308–309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_156.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)