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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Aber, um wieder auf Mephistophelis zu kommen; gerade dadurch, daß er einen so überaus populären und gemeinen Teufel gab, hat Goethe offenbar nichts für die Würde seines schönsten Gedichtes gewonnen. Er wird zwar viele Leser herbeiziehen, dieser Mephisto, viele Tausende werden ausrufen: „Wie herrlich! das ist der Teufel, wie er leibt und lebt.“ Um die übrigen Schönheiten des Gedichtes bekümmern sie sich wenig, sie sind vergnügt, daß es endlich einmal eine Figur in der Litteratur gibt, die ihrer Sphäre angemessen ist.

„Aber erkennst du denn nicht“, wird man mir sagen, „erkennst du nicht die herrliche, tiefe Ironie, die gerade in diesem Mephistophiles liegt?“

Ironie? und welche? Ich sehe nichts in diesem meinem Konterfei, als den gemeinen „Ritter von dem Pferdefuß“, wie er in jeder Spinnstube beschrieben wird. Man erlaube mir, dieses Bild noch näher zu beleuchten. Ich werde nämlich vorgestellt als ein Geist, der beschworen werden kann, der sich nach magischen Gesetzen richten muß:

„Gesteh’ ich’s nur, daß ich hinausspaziere,
Verbietet mir ein kleines Hindernis,
Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle“;

und dieser Schwelle Zauber zu zerspalten

„Bedarf ich eines Rattenzahns“,

daher befiehlt

„Der Herr der Ratten und der Mäuse,
Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse“

in einer Zauberformel seinem dienstbaren Ungeziefer, die Kante, welche ihn bannte, zu benagen. Auch kann ich nicht in das Studierzimmer treten, ohne daß der Doktor Faust dreimal „Herein!“ ruft. In andere Zimmer, wie z. B. bei Frau Martha und in Gretchens Stübchen, trete ich ohne diese Erlaubnis. Doch den Schlüssel zu diesen sonderbaren Zumutungen finden wir vielleicht in dem Vers:

„Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei auch etwas denken lassen!“

Doch weiter.

[299] Ich stehe auf einem ganz besondern Fuß mit den Hexen. Die in der Hexenküche hätte mich gewiß liebevoller empfangen, aber sie sah keinen Pferdefuß, und um mich bei ihr durch mein Wappen zu legitimieren, mache ich eine unanständige Gebärde.

„Mein Freund, das lerne wohl verstehen,
Das ist die Art, mit Hexen umzugehen.“

Auf dem Brocken in der Walpurgisnacht bin ich noch viel besser bekannt. Das Gehen behagt mir nicht, ich sage daher zum Doktor:

„Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.“

Auch hier

„Zeichnet mich kein Knieband aus,
Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.“

Um unter diesem gemeinen Gelichter mich recht zu zeigen, tanze ich mit einer alten Hexe und unterhalte mich mit ihr in Zoten, die man nur durch Gedankenstriche

„Der hatt’ ein – – – – –
So – es war, gefiel mir’s doch“

anzudeuten wagt.

Ich bin selbst in Fausts Augen ein widerwärtiger, hämischer Geselle, der

„– – kalt und frech
Ihn vor sich selbst erniedrigt“ –

Ich bin ohne Zweifel von häßlicher, unangenehmer Gestalt und Gesicht, zurückstoßend, was man mit mildem Ausdruck markiert, intrigant und im gemeinen Leben einen abgefeimten Spitzbuben zu nennen pflegt.

Daher sagt Gretchen von mir:

„Der Mensch, den du da bei dir hast,
Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt.
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht. –
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut,
Ich hab’ vor dem Menschen ein heimlich Grauen. –

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 298–299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_150.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)