Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 148.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke



III.
Satans Besuch bei Herrn von Goethe,
nebst
einigen einleitenden Bemerkungen über das Diabolische in der deutschen Litteratur.


 „Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern
 Und hüte mich, mit ihm zu brechen,
 Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
 So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.“
 Goethe.[1]




Sechzehntes Kapitel.
Bemerkungen über das Diabolische in der deutschen Litteratur.

„Die Idee eines Teufels ist so alt als die Welt und nicht erst durch die Bibel unter die Menschen gekommen. Jede Religion hat ihre Dämonen und bösen Geister, – natürlich weil die Menschen selbst von Anfang an gesündigt haben und nach ihrem gewöhnlichen Anthropomorphismus das Böse, das sie sahen, einem Geiste zuschrieben, dessen Geschäft es sei, überall Unheil anzurichten.“ So würde ich ungefähr sprechen, wenn ich es bis zum Professor der Philosophie gebracht hätte und nun über die „Idee eines Teufels“ mich breitmachen müßte.

In meiner Stellung aber lache ich über solche Demonstrationen, die gewöhnlich darauf auslaufen, daß man mich mit zehnerlei Gründen hinweg zu disputieren sucht; ich lache darüber und [295] behaupte, die Menschen, so dumm sie hie und da sein mögen, merken doch bald, wenn es nicht ganz geheuer um sie her ist, und mögen sie mich nun Ariman oder das böse Prinzip, Satan oder Herrn Urian nennen, sie kennen mich in allen Völkern und Sprachen. Es ist doch eine schöne Sache um das dicier hic est[2], darum behagt mir auch die deutsche Litteratur so sehr. Haben sich nicht die größten Geister dieser Nation bemüht, mich zu verherrlichen, und, wenn ich’s nicht schon wäre, mich ewig zu machen?

In meiner Dissertatio de rebus diabolicis sage ich unter anderm hierüber folgendes: „§ 8. Die Idee, das moralische Verderben in einer Person darzustellen, mußte sich daher den Dichtern bald aufdrängen; diese waren, wie es in Deutschland meistens der Fall war, philosophisch gebildet, doch war ihre Philosophie wie ihre Moral von jener breiten, dicken Sorte, die nicht mit Leichtigkeit über Gegenstände hinzugleiten weiß, daher kam es, daß auch die Gebilde ihrer Phantasie jenes philosophische Blei an den Füßen trugen, das sie nicht mit Gewandtheit auftreten ließ; sie stolperten auf die Bühne und von der Bühne, machten sich breit in Philosophemen, die der zehendste nicht sogleich verstand, und drehten und wandten sich, als sollten sie auf einer engen Brücke ohne Geländer in Reifröcken einander ausweichen.

Daher kam es, daß auch die Teufel dieser Poeten gänzlich verzeichnet waren. Betrachten wir z. B. Klingers[3] Satan. Wie vielen Bombast hat dieser arme Teufel zuerst in der Hölle und dann auf der Erde herzuleiern!

Klingemanns[4] Teufel! Glaubt man nicht, er habe ihn nur geschwind aus dem Puppenspiel von der Straße geholt, ihm die Glieder ausgereckt, bis er die rechte Größe hatte, und ihn dann in die Szene gesetzt? Man begreift nicht, wie ein Mensch sich von einem solchen Ungetüm sollte verführen lassen!“


  1. „Faust“, I., Prolog im Himmel.
  2. Lat., s. v. w. „wenn von einem gesagt wird: dies ist er!“
  3. Friedr. Maxim. v. Klinger (1752–1831) ist besonders durch sein preisgekröntes Trauerspiel „Die Zwillinge“ (1774) und durch sein Drama „Sturm und Drang“ bekannt. Hier ist besonders sein Roman „Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt“ (1791) gemeint.
  4. Ernst Aug. Friedr. Klingemann (1777–1831), dramat. Dichter, hatte 1815 einen „Faust“ geschrieben, der sich längere Zeit mit Glück auf der Bühne hielt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 294–295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_148.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)